Der Rhythmus des Wanderns – Teil 3 Meraner Höhenweg

texelgruppeMorgens 7:00 Uhr Eishof – wir brechen auf in den Sonnenaufgang. Unsere siebte und letzte Etappe des Meraner Höhenweges liegt vor uns. Wir blicken zurück auf sechs Tage und sieben Nächte unterwegs. Wir haben die spektakuläre 1000-Stufen-Schlucht und den schwindelerregenden Hans-Friede-Felsenweg passiert. Wir haben bis hierher fast eine Tube Hirschtalgsalbe verbraucht und haben unsere Rucksäcke verflucht. Wir sind jeden Tag weiter gegangen. Und es hat sich was verändert.

Mehrtageswanderung mit Hund am Meraner Höhenweg – und plötzlich ist da Vertrauen

Es hat sich so etwas wie Routine im Tagesablauf eingestellt.  Vieles ist immer gleich: Ankommen am Etappenziel, Zimmer beziehen, Rucksack auspacken, alles auf den wenigen Abstellmöglichkeiten ausbreiten, duschen gehen, ein paar Kleidungsstücke durchwaschen und aufhängen. Dies ist die Zeit in der Bobby seine Ruhe findet. Kaum auf dem Zimmer angekommen dauert es keine paar Sekunden, da fallen ihm auch schon die Augen zu.huette

Wenn wir früh genug da sind und die Umgebung so wunderschön ist wie hier am Eishof, dann geht es noch mal raus: Entspannen, ein Weizenbier trinken und dabei die Natur betrachten bis es dann wie immer um 18:30 Uhr für die Hausgäste Abendessen gibt. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück wird wieder alles Hab und Gut an seinen Platz im Rucksack verstaut und meist so gegen 9:00 Uhr geht es wieder weiter. Man grüßt die anderen Wanderer und wünscht einen schönen Tag. Auch wenn man sich kennt und den Abend zusammen verbracht hat geht jeder wieder für sich nach seinem eigenen Rhythmus. So machen es auch wir in unserer kleinen 2- und 4-beinigen Seilschaft. Oft sprechen wir gar nicht viel in diesen Situationen. Wir gehen einfach und Bobby geht mit. Auch wenn er kurz vorher noch  verschlafen die letzten Minuten im Bett verbracht hat. Wenn wir losgehen, dann geht er auch – mit uns – natürlich, was sonst?

Gemeinsam gehen am Meraner Höhenweg
Gemeinsam gehen am Meraner Höhenweg

Gehen – mit uns? Keine Selbstverständlichkeit! Seit Jahr und Tag  trainierten wir an Bobbys Aufmerksamkeit uns gegenüber. Wir versuchten uns interessant zu machen, Blickkontakt zu bestätigen, Spaziergänge abwechslungsreich zu gestalten. Alle erdenklichen Methoden, die zu einem Laufen an lockerer Leine führen sollten haben wir ausprobiert. Wir haben versucht, den Abruf durch Superpfiff und Leberwurst zu konditionieren. Und vieles klappte auch schon ganz gut und immer besser. Doch die Unsicherheit blieb. Wird er den nächsten Hund, Passanten, Nachbarn ankläffen und in die Leine springen? Wird er davon schießen, wenn wir ihn von der Leine lassen? Auch wenn Alles 100-mal gut geht, das 101te Mal darf nicht passieren: das Kind am Horizont im vollen Lauf stoppen oder den älteren Herrn, der ihn nur streicheln will,  in die Hand schnappen. So versuchte ich stets noch mehr Kontrolle über alle Situationen zu kriegen und alle Gefahren möglichst im Vorfeld zu erkennen, um entsprechend prophylaktisch zu reagieren.

Und was passiert hier am Meraner Höhenweg? Wir wissen nicht, was auf uns zu kommt. Wir müssen den Weg nehmen wie er kommt. Wir sind auf uns und auf den Weg fokussiert. Wir gehen einfach – und Bobby folgt uns. Er folgt uns überall hin: über eine Hängebrücke – noch vor Kurzem undenkbar – über Felsen, unter Elektrozäunen durch, über Wassergräben, entlang steiler Schluchten, vorbei  an Kühen, Ziegen, Großfamilien und Mountainbiker.

Meist geht Bobby ohne Leine. Manchmal drehe ich mich erschrocken um – wo ist er? Dann sehe ich ihn knapp hinter meinem Knie, das er gerade so nicht berührt. Er schaut mich fragend an: „Ist was?“

Und so ging dann unsere kleine Seilschaft auch an diesem Morgen am Eishof– früher als sonst – zum Sonnenaufgang los. aufstieg-zum-eisjoechl

Am vorherigen Tag ging es vom Montferthof hinauf bis zum Eishof. Keine Wolke trübte den stahlblauen Himmel. Unmerklich ist auch das Gehen zu einer Art Routine geworden. Das Gefühl von Anstrengung wich immer mehr dem Genuss und dem Erlebnis. Und was war es schön gestern! Auf der Strecke lagen mehrere Almen. Je nach Höhenlage hießen sie Unterkaser-, Mitterkaser- und Oberkaseralm.

Mitterkaser Alm am Meraner Höhenweg
Mitterkaser Alm am Meraner Höhenweg

Und wie die Namen schon sagen: Hier gibt es natürlich Käse und auch Schinken und natürlich tolle sonnige Plätze.  Und natürlich kehrten wir überall ein. Und wir trafen immer wieder die Leute, die wir schon kannten und andere, die wir noch nicht kannten. Und alle lachten und alle sahen genauso aus, wie ich mich fühlte: glücklich. Und Bobby war dabei. Er gehörte dazu. Und spätestens als der Speck von unserer Brettljause in seinem Futternapf landete, war auch er im Paradies angekommen.

Der Eishof dann – kaum möglich – bietet noch eine Steigerung. Wir sind im Pfossental, ein weites Hochtal irgendwo ganz weit weg von allem, was irgendwie mit Stress zu tun hat. Kühe weiden auf grünen Almen, rundherum strahlende Berge, blauer Himmel. Liegestühle sind bereitgestellt um sich den besten Film der Welt anzuschauen: die Natur.

Mit diesen Bildern und Eindrücken starteten wir nun zu unserer letzten Etappe unserer Wanderung am Meraner Höhenweg. Es ging Richtung Eisjöchl, mit 2895 m der höchste Punkt unserer Tour.

Mittlerweile hatte sich unsere kleine Seilschaft eingespielt. Am Anfang haben wir noch hin und her gewechselt. Wer achtet auf den Hund? Wer nimmt wie viele Trekkingstöcke? Wer nimmt die Leine? Letztendlich war es nach kurzer Zeit immer so, dass Wolfgang voraus ging, dicht gefolgt von Bobby, ich in einem gewissen Abstand hinterher. Und da machten wir dann auch am letzten Tag keine Experimente mehr. So ging es los Richtung Hohe Weiße und Kleine Weiße – Richtung 3000er. Auf dem ehemaligen Militärpfad ging es mit einer mäßigen Steigung stetig bergan. Als die Sonne dann hinter den Bergspitzen hervorkam, erschien alles um uns Herum als Schattenriss und die Berge leuchteten im hellen Morgenlicht.

Wolfgang war wie immer deutlich schneller unterwegs als ich, und auch wie immer dicht gefolgt von Bobby. Es war ein wahrer Genuss die beiden von hinten zu beobachten. Bobby ging konzentriert, ruhig, absolut leichtfüßig und trittsicher und dabei entspannt. Er wartete ab, wenn Wolfgang den nächsten Schritt überlegte, um dann wieder wie eine Einheit mit ihm weiter zu gehen. Ich liebe meine beiden geliebten Wanderbegleiter!

mit-hund-am-meraner-hoehenwegManchmal lag ich so weit hinten, dass ich die beiden aus dem Blick verlor. Im gleichen Moment kam Bobby schon um die Ecke um zu schauen, wo ich bin. Er wartete kurz um sicher zu sein, dass ich auch hinterher komme. Dann schloss er sich wieder Wolfgang an. Jedes Mal wenn er das tat, ging mein erneut das Herz auf. Mein Hund, mein Bobby! Er wartet auf mich, er achtet auf mich, er fragt mich. Und ich habe ihm die Freiheit gegeben, das tun zu dürfen. Ich habe ohne es zu merken, aufgehört ihn zu kontrollieren. Auf einmal sehe ich ihn, seine Persönlichkeit, seinen Charakter, seine Stärken – ich vertraue ihm.

Bobby hat mich immer im Blick
Bobby hat mich immer im Blick

Dieses Gefühl trug mich förmlich die letzten Höhenmeter dieser Tour nach oben. Eine fantastische Fernsicht erwartete uns. Und auf der Stettiner Hütte trafen wir alle wieder: Sascha und Christian und die anderen, die an diesem Tag früh aufgebrochen sind. Von hier oben sahen wir schon unser Ziel und das Ende der Tour: Pfelders mit dem Gasthof Zeppichl – 1500 Höhenmeter bergab trennten uns noch davon.

Stettiner Hütte
Stettiner Hütte

Der Abstieg war tatsächlich, wie es auch in unserem Wanderführer nachzulesen war, ziemlich anstrengend. Und obwohl es von oben so nah aussah, gingen wir noch 4 Stunden bis wir uns alle wieder trafen am Anfang des Passeiertals in der Lazinser Alm. Und hier feierten wir unseren Weg und den herrlichen Tag. Die letzten paar Hundert Meter bis zum Zeppichl gingen wir dann das erste Mal auf dieser Tour alle zusammen, mittendrin Bobby – un barbone gigante – ein großer Wanderer!

Anwolf - Unterwegs im Rhythmus des Wanderns
Anwolf – Unterwegs im Rhythmus des Wanderns

Das war unser großes Abenteuer am Meraner Höhenweg. Und tatsächlich sind wir irgendwie nicht mehr die gleichen, die eine Woche vorher im Gasthof Zeppichl gestartet sind. Jetzt geht der Alltag wieder los. Aber ich bin mir sicher, dass die Erlebnisse und die Erinnerung auch diesen verändern. Wohin das führt? Mal sehen – ich bleibe unterwegs!

Hier geht es zum Teil 1 Meraner Höhenweg: Wenn es Nacht wird in den Bergen

Hier geht es zum Teil 2 Meraner Höhenweg: Mit schweren Beinen hoch über Meran

Hier geht es zum Überblick der einzelnen Etappen unserer Tour und Links zu allen Artikeln: Meraner Höhenweg


24 Gedanken zu “Der Rhythmus des Wanderns – Teil 3 Meraner Höhenweg

  1. Ein sehr schöner Bericht über das „Ende“ eurer Wanderung mit Bobby. Oh ja, ich kann mir vorstellen, dass so eine 7-tägige Wanderung eine Veränderung bewirken kann und wird und ich freu mich für dich, dass du so schöne Erfahrungen mit deinem Hund gemacht hast. Eine mehrtägige Wanderung habe ich noch nie gemacht, ich hoffe aber, dass ich das noch hinbekomme, wenn auch nicht auf so steilen Wegen. Liebe Grüße, Sigird

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    1. Liebe Sigrid,
      vielen Dank für deinen netten Kommentar, darüber freue ich mich sehr! Eine Mehrtageswanderung ist wirklich etwas Besonderes. Es hat etwas von dem „unterwegs sein“ das ich so liebe. Und es gibt ja auch deutlich flachere Weitwanderwege… Bin gespannt, was ich von dir da noch lesen werde 🙂 Drücke die Daumen, dass es klappt! Liebe Grüße von Andrea

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  2. Liebe Andrea,

    voller Spannung habe ich auf Teil 3 gewartet – und wieder erreichte er mich in einem passenden Moment: wir saßen zu dritt beim Abendessen in einem kleinen Lokal hier im Viertel (und zwar um 18:30 Uhr!). So konnte ich meinem Mann auch diesen Part eures Südtiroler Abenteuers beim Selbstlesen auch gleich wieder vorlesen.

    So schöne Fotos umrahmt von einem wie immer anschaulichen Begleittext – es machte großen Spaß, eure Endetappe nachzuvollziehen. Besonders gerührt haben mich Bobbys zugekniffene Hundeäuglein im Bett liegend (bzw. offiziell: im Körbchen natürlich 😉 ) sowie deine Schilderung eures Gehens und wie mit jedem Schritt das Vertrauen wuchs (da hatte ich Tränen in den Augen: wir kennen das auch, wenn Pippa nach dem guckt, der hinten geht, immer aufmerksam darauf bedacht, dass das Rudel komplett und unversehrt ist). Wandern mit Hund ist wunderbar!

    Es freut mich für dich und euch, dass ihr so eine gelungene Woche hattet und ich kann dir gut nachfühlen, wie intensiv das Erlebte noch nachwirkt.

    Herzliche Grüße – und hoffentlich auf bald, auch jenseits der Bergpfade und im Alltag gibt es ja Schönes zu berichten im Harz und in Bayern!
    Die Kraulquappe.

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  3. Hallo Ihr Beiden,
    das ist ein so toller Bericht. Ich habe das mit meiner Freundin und den beiden Hunden nächstes Jahr ebenfalls vor,
    da kam Eure Erfahrung für uns genau richtig.

    Vielen lieben Dank
    heike

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    1. Liebe Heike,
      das freut mich sehr, dass dir mein Bericht gefällt. Und ich freue mich ganz besonders, dass ihr auch vor habt, mit euren Hunden den Meraner Höhenweg zu gehen. Ich wünsche euch schon jetzt eine wunderbare Zeit! Vielleicht lese ich ja mal, wie es dir ergangen ist. Viele Grüße von Andrea

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  4. Liebe Andrea,
    nun hatte auch ich Tränen in den Augen beim Lesen deiner Zeilen über Bobby und über deine Erkenntnis, ihm vertrauen zu können. Es ist so ein schönes Gefühl! Ich glaube auch, dass euch die Wanderung verändert hat und hoffe, dass euch die Eindrücke noch lange im Alltag begleiten werden. Deine Erfahrungen auf der Wanderung habe ich sehr gerne gelesen.

    Herzliche Grüße
    Silvana

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    1. Liebe Silvana,
      vielen Dank für deinen tollen Kommentar. Als ich schon an diesem Artikel schrieb, las ich deinen Bericht über Cabo und Dich und euer wunderbares Erlebnis beim Wandern: http://kalteschnauze-blog.de/blogparade-wanderglueck-auf-vier-pfoten-oder-wie-cabo-und-ich-zum-wandern-kamen/. Das sind einfach die Momente, wo es „klick“ macht. Irgend etwas hat sich plötzlich verändert. Und meistens ist man es selbst 😉

      Herzliche Grüße von Andrea

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  5. Hallo Andrea,
    ein toller Bericht mit tollen Bildern. Und so wie es sich liest, seid ihr ein eingespieltes Team. Wir waren mit Gizmo ja auch hin und wieder in den Bergen (leider viel zu selten). Er hat mich damals sogar vor einem Steinschlag „gewarnt“. Er wollte, nachdem wir schon mehrere Geröllfelder gequert hatten auf einmal nicht mehr über ein weiteres Geröllfeld. Um nichts in der Welt war er zum Weiterlaufen zu bewegen. Und grad in dem Moment, wo ich vorlaufen wollte, zischten schon die Steine an uns vorbei.
    Ist das das aktuelle Modell des Ruff Wear Palisades Pack, den Bobby da trägt? Zufrieden damit? Ich hab das alte Modell und es war sehr gut, vor allem, dass man die Taschen abnehmen konnte. Aber das Geschirr und die Taschen haben sich scheinbar etwas verändert.

    Liebe Grüße
    Jens

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    1. Hallo Jens,
      wow, das ist ja ein großartiges Erlebnis, das du mit Gizmo hattest – so etwas bleibt für immer!

      Ja, die Packtaschen sind von Ruff Wear (neues Modell) und wir sind total zufrieden; Bobby glaube ich auch, obwohl er immer weg läuft, wenn wir damit ankommen. Aber das macht er bei jedem Geschirr…

      Ganz liebe Grüße von Andrea

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  6. Hallo, ein super Bericht und die Bilder sind fantastisch! Wir haben schon wieder Fernweh, wenn wir von euren Erlebnissen lesen. Jule passt auch immer auf Frau Dosenöffnerin auf , ob sie auch mitkommt😄. LG von Jule und ihren Dosenöffnern

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  7. lach, das macht die Arbeit als Coach 😉
    Bei dieser Art des Reisens (also Land und Leute kennenlernen, viel sehen) fällt mir ein, was mir im Alltag manchmal verloren geht: Das, was wirklich wichtig ist. Das macht Entscheidungen leichter… Ich wünsche dir alles Gute, bis bald und liebe Grüße, Annette 🙂

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  8. Es war ein kurzweiliges, schönes und informatives Vergnügen deine Berichte zu lesen. Und am Ende frag ich mich: ob ich diese Tour auf meine Liste nehme? Ich denke ja.
    Ihr habt euch gut geschlagen und eine beachtenswerte Leistung vollbracht.

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  9. Pingback: Free! – Anwolf

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