Free!

Kontrolle aufgeben

…und auf einmal entsteht da etwas Neues. Diese Erfahrung schlich sich ganz leise und unerwartet in meine Wanderung am Meraner Höhenweg ein. Je weniger ich Bobby kontrollierte – je mehr ich einfach ging, desto selbstverständlicher folgte er mir. Ich spürte, dass er mir vertraute – schon längst. Nur ich hatte es vorher noch nicht gesehen.

Vertraust du mir?
Vertraust du mir?

Leider funktioniert das im Alltag nicht mehr ganz so gut wie erhofft. Zu viele Ängste beherrschen wieder unsere Spaziergänge. Zu viele Gefahren lauern (Autos, andere Hunde, kleine Kinder, Jogger…). Zu viele Menschen könnten einen kritisieren, dass man seinen Hund nicht unter Kontrolle hat und ob man denn nicht in die Hundeschule ginge. Hach – wie ist es schwer, seinen eigenen Weg zu gehen und sich nicht verunsichern zu lassen. Aber es hat sich doch etwas geändert. Ich weiß grundsätzlich, dass es funktioniert. Und ich weiß, es liegt nur an mir. Und immer öfter spüre ich den „Rhythmus des Wanderns“ auch im Alltag.

Gerade bin ich mit Bobby mal wieder in Laboe an der Ostsee. Denn ich habe Zeit, allerdings nicht ganz freiwillig. Und da Bobby nicht gerade begeistert vom Meer ist, machen wir Ausflüge ins Hinterland und nähern uns nur wohl dosiert dem großen weiten Ozean.

Blomenburg
Neuer Wohnsitz gesucht? Blomenburg – kurioses Wohnhaus eines Bauherren im 19. Jahrhundert – später Jugend- und dann Flüchtlingsheim – sucht Käufer…
Dobersdorf
Rundwanderweg um den Dobersdorfer See – aber wo ist der See?
Ein weiteres Objekt im Immobilienangebot: Schloss Salzau - früher mal Mittelpunkt des "Schleswig-Holstein Musik Festivals" - seit Jahren leerstehend
Ein weiteres Objekt im Immobilienangebot: Schloss Salzau – früher mal Mittelpunkt des „Schleswig-Holstein Musik Festivals“ – seit Jahren leerstehend

Free! Job weg – und jetzt?

Aber warum habe ich eigentlich Zeit? Vielleicht ist es Zufall. Vielleicht war genau jetzt der Zeitpunkt. Einen Monat nach unserer Wanderung am Meraner Höhenweg habe ich meinen Job verloren (irgendetwas im Sozialbereich). Der Jahresvertrag wurde nicht wie ursprünglich gedacht verlängert. Mein erster Reflex war es, um den Job zu kämpfen. Mein Gefühl allerdings schnürte mir den Hals zu. Nicht wegen des Gedankens, den Job zu verlieren – nein, wegen des Gedankens den Job zu behalten.

Nachdem ich mich vor einem Jahr noch mal zu einem Jobwechsel durchgerungen habe, hielt die Euphorie leider nicht lange an. Verkrustete Hierarchien, vergiftete Atmosphäre, die Philosophie: „das haben wir hier noch nie so gemacht“ und der Appell an mich: „ Daran musst du dich schon gewöhnen, dass hier jemand anderes das Sagen hat“ erwarteten mich. Dass ich aus einer Führungsposition in ein normales Angestelltenverhältnis gewechselt bin, das schien Misstrauen auszulösen. Obwohl ich in keinster Weise irgendwelche Ambitionen auf den Chefsessel hatte merkte ich doch, dass ich nicht der Typ „normaler Angestellter“ bin. Ich passe nicht in die meisten Systeme. Nicht auf Dauer. Früher wollte ich immer die Systeme ändern. Dann bin ich selber Chefin geworden, um etwas zu bewegen. Aber auch als angestellte Chefin hatte ich noch einen Chef vor mir. Hierarchien sind nicht mein Ding.

Free! Keine Angst haben

Nun wurde ich einfach in ein Leben ohne Job hinein geschmissen. Sollte ich jetzt nicht Angst haben? Muss ich nicht ganz schnell etwas Neues finden? Irgend etwas? Dass der Vertrag nicht verlängert wurde, war im ersten Moment eine Ohrfeige für meinen Stolz. Dieses schmerzhafte Gefühl aus alten Wunden wurde kaum das es aufkam sofort abgelöst von einem anderen Gefühl.  Eigentlich war es schon da. Nur ich hatte es vorher noch nicht gesehen –  Vertrauen – in mich!

... doch noch ein Weitblick über den Dobersdorfer See
… doch noch ein Weitblick über den Dobersdorfer See

Free! Selbständig arbeiten

Ich kann mir nicht mehr vorstellen, angestellt zu arbeiten. Ab einem gewissen Alter ist es nicht mehr aufregend, neue Jobs zu machen. Genauso wenig  wie es für mich eine Option ist, wegen der („sicheren“, haha…) Rente in einem Job zu bleiben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Ich werde mich selbständig machen. Ich bleibe im Sozialbereich, das was ich kann – gewohntes Terrain. Aber ich mache es selbst. Selbst verantwortlich – selbst gestalten – selbst für Erfolg und Misserfolg gerade stehen. Selbst die Arbeitszeit einteilen. Selbst entscheiden, dass Bobby natürlich mit ins Büro darf. Und zwischendurch meine Gedanken zu Papier bringen. Blog schreiben – je nachdem wie Zeit ist und nicht wie die Pausenzeiten das vorgeben.

Diese Inspirationsquelle will ich nicht nur zum Feierabend um mich haben
Diese Inspirationsquelle will ich nicht nur zum Feierabend um mich haben

 Free! Der Rhythmus des Lebens

So bin ich derzeit in der komfortablen Situation, Zeit zu haben. Zeit für große Pläne und weite Sprünge – aber etwas anderes passiert. Meine Schritte werden kleiner. Ich gehe langsamer. Und es ergeben sich Möglichkeiten. Ich spreche mit Leuten. Und in den Gesprächen wurde ich bestärkt und ermutigt. Gerade dass ich so vieles gemacht habe, scheint  sich nun auszuzahlen. Was früher Vorgesetzte oder Kollegen irritiert hat (Warum hat die schon so viel unterschiedliche Jobs gemacht? Da muss doch was faul sein? Die kann sich nicht richtig einfügen…) – alles was mich eigentlich selbst auch irritiert hat (Will ich hier wirklich auf Dauer bleiben? Schauen wir mal, wann das langweilig wird…) macht auf einmal Sinn. Ich habe das alles gebraucht um endlich diesen Schritt gehen zu können.

Adler
Der „Adler“ – die Personenfähre pendelt zwischen Wik und Holtenau über den Nord-Ostsee-Kanal

kiel-adler

So nehme ich mir die Zeit für eine Woche Ostsee. Hier ist alles ruhig. Viele Cafes und Restaurants sind geschlossen im November. Ich habe ein wunderbares Appartement mit direktem Blick auf das Meer. Und  dort fahren die großen Frachter und Fähren Richtung Welt. Die Möwen kreisen und wenn Sturm ist gesellen sich ein paar Kitesurfer dazu. Bobby und ich schauen vom Appartement aus auf das Meer.

Aber  jeden Tag gehen wir auch zum Strand –  ganz ohne Druck und ganz ohne Angst. Wir stehen einfach nur da und blicken auf das Wasser. Vielleicht verliert er ja doch noch seine Skepsis vor der Weite und dem komischen Sand und all den merkwürdigen Gerüchen. Ich vertraue ihm. Und immer öfter schafft er es, seinen Blick vom Horizont abzuwenden und zu mir zu schauen.

Ich bin gespannt, wo meine Reise hingeht. Wenn ich einfach weitergehe – immer im Rhythmus meines Lebens – dann kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?!

Wohin geht die Reise?
Wohin geht die Reise?

Hund und Job – wie geht das? Viele interessante Beiträge von spannenden Hundeblogs zu diesem Thema gibt es auf der miDoggy Community im Rahmen einer Blogparade.


25 Gedanken zu “Free!

  1. Ich finde du machst das sehr gut. Hörst auf dein Gefühl, erinnerst dich an dein Können und Vielseitigkeit, weisst was du willst und nicht willst. Und am Meer, bei weitem Blick kann man wunderbar Visionen kreieren und das Leben wird folgen. Weil du vertraust und deine Schöpferkraft wieder an dich genommen hast.

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  2. Liebe Andrea,

    wir kennen uns nicht persönlich, nur vom Bloggen. Aber das macht nichts. Ich möchte dir schreiben, dass dein Beitrag Free! so viel Zuversicht ausstrahlt, dass ich spüre, dass du auf dem für dich richtigen Weg bist.
    Es scheint alles zusammenzupassen, Jobverlust, der Wunsch, selbständig zu arbeiten, Vertrauen in dich selbst. Vertrauen in deinen Hund und Vertrauen deines Hundes in dich kommen noch hinzu, auch wenn sie vordergründig nichts mit der Berufswelt zu tun haben.
    Ich wünsche dir, dass du deinen Weg voller Zuversicht weitergehst. Es wird sich bestimmt gut anfühlen.

    Viele Grüße aus Hamburg, Marianne

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    1. Liebe Marianne, irgendwie kennt man sich über das Bloggen ja auch ganz schön persönlich 😉 Das freut mich sehr, dass der Artikel Zuversicht ausstrahlt. War mir beim Schreiben etwas unsicher, wie der Artikel rüberkommt. Aber genau das ist mein Empfinden und ich wollte das unbedingt irgendwie festhalten.

      Liebe Grüße von Andrea

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  3. Liebe Andrea,

    ich habe den Eindruck, die bist auf einem sehr guten Weg. Denn zwischen Zeilen schwingt so viel Energie und zuversicht, dass es hier über den Bildschirm auch mich berührt und zum Nachdenken gebracht hat. Aber ein Nachdenken mit einem Lächeln im Gesicht.
    Danke, dass Du deine Gefühle so schön zu „Papier“ gebracht und mich/ uns teilhaben lässt.
    Ich wünsche Dir ein sicheres Bauchgefühl und viel Vertrauen!
    Herzliche Grüße
    Stephie

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  4. Liebe Andrea,

    erst einmal Grüße in den Nachbarort! 🙂

    Ich kann deine Gedanken so gut nachvollziehen und dabei bin ich noch gar nicht lange aus meinem alten Job raus. Aber dieses Gefühl, komplett für sich selber verantwortlich sein zu DÜRFEN, dass zu machen, was man gerne tut – das befreit. Ich möchte nie wieder zurück in ein Angestelltenverhältnis.

    Alles Gute für deinen Weg, ich bin sicher, du, ihr, schafft das.

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Liebe Nicole,

      ist ja lustig, ich bin gerade im Urlaub in deiner Nachbarschaft und dann habe ich beim Stöbern in deinen Blogs festgestellt, dass wir aus der fast gleichen Ecke in Niedersachsen kommen, wobei ich nicht von „Heimat“ sprechen möchte 😉Ich danke dir für deinen Zuspruch. Toll dass du den Weg in die Selbständigkeit schon gegangen bist. Ich wünsche auch dir alles Gute für deine Vorhaben!

      Liebe Grüße von Andrea

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  5. Viel habe ich den ganzen wunderbaren Kommentaren nicht mehr hinzuzufügen, liebe Andrea (hab erst grad eben in WordPress reingeguckt, und reihe mich nun hinten ein). Nur eines noch: So wie du mutig und zuversichtlich deinen Weg gehst, wird Bobby es dir gleichtun. Eines Tages ist er vielleicht so weit und setzt eine Pfote ins Meer oder pflügt den Strand um. Und wenn nicht, dann ist es auch ohne Baden im Meer ein erfülltes Hundeleben und erlebt ja genug andere Abenteuer.
    Liebe Grüße an die Ostsee und einen schönen Ausklang eurer Woche wünscht dir die Kraulquappe.

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    1. Danke liebe Kraulquappe! Oh, ja Bobby und das Meer… Nach leichten Fortschritten in Ruhe und Gelassenheit, war er heute bei Sturm schon wieder ein echter Angsthase. Er wollte nur weglaufen. So sind wir ins Appartement gegangen, ich habe ein Stück Torte gegessen und er hat einen großen Knochen bekommen. Da waren wir beide wieder glücklich 😊

      Liebe Grüße von Andrea

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  6. Toller Artikel!! Ich fühle mich absolut angesprochen. Gerade deine Sichtweise auf Hierarchien und das Angestelltenverhältnis. Ich bin zwar (noch) nicht arbeitslos, aber auch ich befinde mich im beruflichen Umbruch. Auf auf in die Selbstständigkeit 🙂
    Kopf hoch, weitermachen und nie aufgeben! Wir drücken alle Daumen und Pfoten!! Liebe Grüße

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  7. Liebe Andrea, ich habe deinen Blogbeitrag mit großer Freude gelesen. In jedem Satz steckt so viel Mut, so viel Lust, neue Wege zu gehen und so viel positive Energie. Ich bin davon überzeugt, dass du deinen Weg gehen und das ganz toll machen wirst. Ich kann mir auch nicht mehr vorstellen, angestellt zu sein. Mit allen Vor- und Nachteilen liebe ich meine Selbstständigkeit. Es ist nicht immer leicht, aber tauschen würde ich nicht mehr.

    Herzliche Grüße an die Ostsee!
    Silvana

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  8. Liebe Andrea,
    ich wünsche Dir ganz viel Erfolg, Glück und Zufriedenheit für Deinen neuen Lebensabschnitt! Ich bin nunmehr seit 2004 selbstständig. Es gab und gibt sehr gute Zeiten, gute Zeiten, befriedigende Zeit und schlechte Zeiten. Auf die schlechten Zeiten könnte ich gut verzichten … 🙄 … aber angestellt sein möchte ich nicht mehr! Ich bereue es jedenfalls nicht, diesen Schritt gemacht zu haben!
    Viele Grüße
    Martina

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    1. Vielen lieben Dank Martina!

      Es gibt bestimmt nicht nur Höhen, sondern auchTiefpunkte und Zweifel. Noch stehe ich am Anfang voller Enthusiasmus. Ich habe großen Respekt vor Menschen wie dir, die sich auch in schlechteren Zeiten nicht von ihrem Weg abbringen lassen.

      Liebe Grüße von Andrea

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  9. Hallo,
    ich lese deine Beiträge sehr gerne und diesen fand ich besonders berührend. Es ist beeindruckend und inspirierend, dass du dich für diesen Weg entschieden hast. Ich/ Wir wünschen dir dafür alles Liebe und drücken Daumen und Pfoten, dass es so wird wie du es dir wünschst!
    Da ich nur ahnen kann wie es dir mit deiner Arbeit geht, kann ich dir dafür nur Glück wünschen, aber was dein Gefühl mit Bobby angeht… Ja! Das ist es. Irgendwann kommt es ganz plötzlich, dieses Gefühl dass da eine Verbindung ist und die sichere innere Ruhe, dass dein Hund dir folgt, ohne Leine ohne Zwang, ohne Leckerlies, einfach so weil es jetzt stimmt. Bei uns kam der Moment auch beim wandern, ganz plötzlich war es da 😉 Im Alltag wird es auch immer mehr werden und bis dahin heißt es einfach die anderen ignorieren.
    Liebe Grüße Sarah und Josy

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    1. Liebe Sarah und Josy,
      ich freue mich riesig, dass dir meine Beiträge gefallen. Es ist ermutigend, zu hören, dass du ähnliche Erfahrungen mit Josy gemacht hast. Ich denke, vieles braucht einfach seine Zeit und eben „innere Ruhe“. Beim Wandern hat man meistens beides. Es bleibt eine Aufgabe, das in den Alltag zu übertragen 🙂 Schön, dass das bei euch schon so gut klappt.

      Liebe Grüße von Andrea

      Gefällt 1 Person

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