Panoramawanderung Wildemann [Lieblingsrunden im Harz]

Vor einer Woche entschied ich mich dazu, wieder im Harz zu wandern. Und das nicht nur deswegen, weil nun endgültig die Graugänse unsere „Spielwiese“ auf unserer täglichen Gassirunde vor der Haustür in Beschlag genommen haben und uns jeden Tag sehr deutlich zu verstehen geben, dass wir unerwünscht sind. Das laute Geschnatter und die eindeutig drohende Gestik versteht sogar Bobby. Er macht einen großen Bogen um die Wiese und tut einfach so, als ob er dieses Federvieh gar nicht sehen würde.

Auch die Pressekonferenz der Bundesregierung nach Ostern zur Corona-Lage hatte mit meiner Entscheidung zu tun. Die von den Ländern geplanten Lockerungen lösten einen gewissen Frust bei mir aus, gegen den ich unbedingt etwas machen musste. Ich hatte eine Maskenpflicht und konkretere Hygienekonzepte für den öffentlichen Raum erhofft. Aber es ging um Möbel- und Autohäuser. Klar, jeder hat den Fokus auf den Bereichen, die einen persönlich am meisten betreffen. Jetzt, eine Woche später, gibt es nun doch überall die Maskenpflicht. Und Fußball dürfen wir auch bald wieder schauen. Vielleicht bekommt ja (irgendwann?) jeder seinen Happen, um sich mit der „neuen Normalität“ arrangieren zu können. Aber wahrscheinlich muss man auch seinen eigenen Weg finden und vorsichtige Schritte in diese veränderte Welt wagen. So entschied ich, meinen Radius nicht bis in das Möbel- oder Autohaus zu erweitern, sondern in den Harz zum Wandern.

Wandern im Harz – besondere Erfordernisse in Zeiten von Corona

Die erste Wanderung nach langer Zeit (waren es wirklich nur vier Wochen?) im Harz stand an. Ich verspürte prickelnde Vorfreude und gespannte Aufregung, fast wie vor einem Wiedersehen mit einer verflossenen Liebe. Jetzt bloß nichts falsch machen, eine Enttäuschung kann ich gerade nicht gebrauchen. Eine meiner Lieblingsrunden im Harz musste her und damit endlich auch ein weiterer Wanderbericht meiner Blogserie nach dem Motto:

Welche Wanderungen kommen mir sofort in den Sinn, wenn mich jemand fragt: Hast du mal einen Tipp für den Harz? Es sind die Wanderrouten, bei denen alles passt: abwechslungsreiche Wegführung, sonnige Passagen, Aussichtspunkte mit Fernsicht, moderate Steigung und Wegstrecke (nicht viel mehr als 300 Höhenmeter, etwa 10 km Länge), gute Ausschilderung, bestenfalls (mindestens) eine Einkehrmöglichkeit. Das sind die Wanderungen im Harz, die immer funktionieren, ohne viel nachzudenken. Die man risikolos jedem empfehlen kann. Die bei jeder Jahreszeit ihren Reiz haben. Die einfach nie langweilig werden.

In Zeiten von Corona sollte die Wanderung zudem noch wenig frequentiert sein, bestenfalls einen schönen Picknickplatz (statt Einkehr) haben, keine größeren Gefahren oder Schwierigkeiten beinhalten und idealerweise sogar unweit einer Ortschaft sein. Einen Notruf aus einsamen Wäldern möchte man zur Zeit genau so wenig absetzten müssen, wie mit einer Heerschar von Coronaflüchtigen Städtern auf ausgetretenen Wanderautobahnen durch die Natur marschieren. Darüber hinaus ist Sachsen-Anhalt tabu: Brocken, Hohnekamm, Teufelsmauer, … Der Aufenthalt zu touristischen Zwecken ist dort für „Auswärtige“ verboten.

Aber es gibt sie tatsächlich auch im Harz, diese „Panoramaschleichwege durch die Pandemie“, wie meine Freundin Natascha vom Blog Kraulquappe ihre Wanderungen durch das herrliche bayerische Alpenvorland in Zeiten von Corona nennt.

Lieblingsrunde im Harz: Panoramawanderung rund um Wildemann

Fast als wäre es bereits Sommer, so fühlt sich dieser besondere Frühling im April 2020 an. Jeden Tag scheint die Sonne vom tiefblauen, CO2-freien Himmel. So war es auch an diesem Tag, als wir am frühen Nachmittag unser Auto in der kleinen Ortschaft Wildemann, das sich auch „Klein-Tirol im Harz“ nennt, parkten. Und tatsächlich erinnert die Gegend ein wenig an die Alpen. Rund um das Tal steigen sanfte Almen und Wiesen auf. Sogar einen traditionellen Kuhauftrieb des Harzer Höhenviehs gibt es hier.

Blick auf Wildemann, das „Klein Tirol im Harz“

Aber eigentlich ist Wildemann, wie so viele Orte im Harz in erster Linie eine Bergbaustadt gewesen. So parkten wir an diesem Tag auch am Besucherbergwerk 19-Lachter-Stollen (derzeit natürlich geschlossen). Auch wenn diese Tour nur knapp 6 Kilometer lang ist, hatten wir alles dabei, wie zu einer richtigen Wanderung. Allein das Aufsetzten des Rucksacks löste in mir ein wunderbares Gefühl von Freiheit und Abenteuerlust aus. So stapften wir erst beschwingt und dann zunehmend keuchend (die Coronarollen auf der Hüfte machten sich bemerkbar) die etwa 150 Höhenmeter hinauf zur Prinzenlaube, eine Stempelstelle der Harzer Wandernadel. Auch wenn hier schon einige Tische und Bänke zu einer ausgedehnten Rast einladen, machten wir nur eine kurze Pause. Ein noch besserer Picknickplatz wartete auf dieser Runde noch auf uns.

kurze Verschnaufpause an der Prinzenlaube

Den Bärenanteil der Höhenmeter hatten wir hier bereits geschafft. Bei dieser Wanderung steht der Genuss im Vordergrund. Über den Ernst-August-Stieg ging es dann in Serpentinen ein paar hundert Meter durch dunklen Fichtenwald hinab. Immer wieder blitzte die Sonne durch die Bäume. Bobby lief frei. Er blieb auf dem schmalen Weg, obwohl es etliche Spuren gab, denen er auch immer wieder nachwitterte, die Nase hoch in die Luft gestreckt. So wie wir, schien er den Duft des Waldes zu genießen.

Rundwanderung Wildemann mit Picknick und statt Einkehr

Bald erreichten wir eine Lichtung und ab dort konnten wir dann auf dem sonnigen Hangweg durchgehend die Aussicht auf Wildemann und die gegenüberliegenden Almwiesen genießen. Wir kamen schleichend voran. Immer wieder mussten wir fotografieren oder einfach nur schauen und atmen. Kurz bevor dann der Weg nach Wildemann hinabführt, folgten wir dem unscheinbaren Wegweiser Richtung Pöhlingsgrotte. Ich habe keine Ahnung, ob es da wirklich eine Grotte gibt. Soweit bin ich noch nie gekommen. Immer war der dortige Picknickplatz, von dem man eine fantastische Aussicht auf Wildemann genießen kann, mein Ziel. Zugegebenermaßen hatten wir nicht viel zu essen dabei (und man sollte sich ja auch nicht zu sehr ausbreiten, um jederzeit auf Abstand gehen zu können, wenn andere Wanderer dort ebenfalls eine Pause machen wollten). Aber zur Feier der wiedergewonnen Freiheit stießen wir mit einer Tasse Cidre an und köpften einen Osterhasen.

Von hier aus ging es dann im Zickzack runter nach Wildemann und gleich gegenüber wieder hoch zur Kirche. Dort beginnt der Wildemanner Mundartweg, auf dem man auf Tafeln kleine Anekdoten in Harzer Mundart lesen kann. Ob die wirklich lustig sind? Wir haben sie uns vorgelesen und uns köstlich darüber amüsiert. Ach, an dem Tag wäre der schlechteste Witz ausreichend gewesen, um uns aufzumuntern. Alles war besser, als zu Hause herumzusitzen und Corona-Nachrichten zu lesen. Der Weg führte erst oberhalb von Wildemann entlang und dann hoch auf die Almwiesen. Mittlerweile war es später Nachmittag geworden und wir hatten keine Veranlassung, uns irgendwie zu beeilen.

Über den Oberen Birkenweg ging es dann, mittlerweile wieder in einem lichten Wäldchen, über eine steile Kehre in den Unteren Birkenweg, der dann fast genau gegenüber des Parkplatzes auf die Hauptstraße von Wildemann einmündet. Wären nicht alle Lokale zu, dann könnte man im Hotel Rathaus noch lecker essen. Auch das Eis dort (es gibt z.B. Sorten wie Schierker Feuerstein) ist absolut empfehlenswert. Aber man muss sich halt auf die neue Normalität einstellen. An diesem Tag habe ich allerdings rein gar nichts vermisst, sondern jede Menge dazu gewonnen – besonders an neuer Lebensenergie.

Zum Nachwandern: Wanderung rund um Wildemann

Diese knapp 6 Kilometer lange Rundwanderung um Wildemann ist aus dem Wanderführer Wandertouren für Langschläfer im Harz (Richard Goedeke): Vom Welterbe 19-Lacher-Stollen auf den Badstubenberg

Hier geht es zu meiner Komoot-Aufzeichnung „Rund um Wildemann mit Prinzenlaube“. (Anmelden auf Komoot ist nicht nötig. Zum Anschauen einfach runterscrollen.)


7 Gedanken zu “Panoramawanderung Wildemann [Lieblingsrunden im Harz]

  1. Liebe Andrea,
    meines Erachtens nach ist das Wandern eine gute Strategie, um in Coronazeiten was fürs Immunsystem und die eigene Stabilität zu tun. Ich hab nach 2 Wochen des konsequenten Einhaltens der bayerischen Beschränkungen für mich beschlossen, dass ich mir diese Stadtflucht 1-2x pro Woche gönnen werde. Der „triftige Grund“ hierfür ist ebendiese Stabilität – und dass ich nicht ständig mit Hund durch die proppenvollen Parks dieser schönen Stadt spazieren kann, wo das Gassigehen oft ein Spießrutenlauf wird, wenn man zugleich noch Abstand wahren möchte.
    Freu mich für Euch und den großen Braunen, dass ihr nun auch wieder wandert und Euch so bei Laune und Gesundheit haltet.
    Ganz liebe Grüße aus München!
    PS: Freundin Natascha war grad ein wenig abgetaucht, würde sich aber über ein baldiges Wiederhören freuen.
    PPS: Sehe ich da mein Osterhäschen im Harz beim Picknick sitzen? Wurde es erlegt?

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  2. Jedesmal, wenn ich einen Deiner Harz-Beiträge lese, denke ich mir, dass ich mal im Harz Urlaub mache und auf Deinen Wegen wandere. So auch diesmal! Danke für die schöne Beschreibung und die schönen Fotos. 🙂

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    1. Ach, das freut mich! Der Harz ist wirklich schön und echt vielseitig. Es gibt aber (wie fast überall) natürlich auch ziemlich fade Ecken 😉 Vielleicht klappt es ja mal mit einem Urlaub? Dann gebe ich gerne noch ein paar ganz persönliche „Geheimtipps“. Liebe Grüße von Andrea

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