Maasholm: Das Tor zur Ostsee an der Schlei oder das große Glück der kleinen Freiheit

„Moin, haben Sie Gummistiefel dabei?“ Der ältere Herr und seine Frau lachen uns fröhlich entgegen und deuten dabei in die Richtung des ausgewiesenen Weges durch das Habernisser Moor. Erst sei es etwas sumpfig aber dann, auf den Bohlenwegen, ließe es sich wunderbar gehen. Und die Ruhe dort sei so herrlich, ergänzt die Frau. Sie kämen aus Glücksburg und sie suchten besonders gerne die einsamen Orte an der Ostsee auf. Der Küstenabschnitt hier an der Flensburger Förde bei Habernis sei so einer. „Wo kommen Sie denn her?“ fragen die beiden. „Wir machen hier Urlaub und haben in Maasholm an der Schlei für drei Tage ein Ferienhaus angemietet“ – ein ganz normaler Satz – eigentlich. Aber nach einem halben Jahr Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie, macht mir besonders das Wort „Urlaub“ so viel Freude, dass ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekomme. „Ah! Maasholm. Schön. Maasholm. Sehr schön.“ Der ältere Herr scheint für einen Moment in seinen eigenen Gedanken und Erinnerungen versunken zu sein.

Schleimünde bei Maasholm

Endlich raus – Modellregion Schlei

Als ich von der Modellregion Schlei in Schleswig-Holstein las, die mit einem besonderen Hygienekonzept touristische Übernachtungen wieder zulässt, kribbelte es sofort in meiner Magengegend. Die Sehnsucht, mal wieder für ein paar Tage raus aus den eigenen vier Wänden zu kommen war mittlerweile so groß, dass ich wahrscheinlich überall hingefahren wäre, wo es nur ginge. Aber über die Region an Schlei und Ostsee freute ich mich ganz besonders. Nachdem ich letztes Jahr im Oktober kurz vor dem Lockdown eine Woche Urlaub dort gemacht hatte, der eigentlich ganz anders geplant war und dann doch so wunderbar wurde, wollte ich wiederkommen. Dass es so schnell passieren würde, hätte ich nicht gedacht.

Sieseby bei Rieseby an der Schlei

Und los! – Urlaub in der Modellregion

Während der Corona Pandemie habe ich mir mehr denn je vorgenommen, nicht abzuwarten, sondern den Moment zu nutzen und die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Man wusste nie, was die nächste Zeit bringen wird und meistens wurde ist immer noch schlimmer. So zögerte ich keine Sekunde und auch Wolfgang war sofort dabei. Wir blätterten in unseren Terminkalendern, klickten durch die Vermietungsportale und buchten kurzerhand über ein verlängertes Wochenende ein Ferienhaus in Maasholm. Das kleine Fischerörtchen, wo sich Schlei und Ostsee verbinden und es so leckere Fischbrötchen gibt, hatte es mir schon im letzten Jahr besonders angetan. Mit einem negativen Corona-Test, der Luca App und ein paar unterschriebenen Einwilligungen und Erklärungen zu den Regeln in der Modellregion im Gepäck, konnte ich mein Glück kaum fassen als wir ein paar Tage später zu unserem Urlaub an die Ostsee aufbrachen.

Maasholm an der Schlei

Der Duft nach Meer

Bei Regen kamen wir in Maasholm an, was meine Stimmung aber nicht trüben konnte. Wir gingen raus zu den historischen Kahnstellen, schlenderten zum Hafen, schauten Richtung Schleimünde – dem Tor zur Ostsee. Es dämmerte und es nieselte und ich war begeistert. Von dem Duft nach Meer. Dem Gefühl von Freiheit. Am nächsten Morgen weckte uns das Kreischen der Möwen und strahlender Sonnenschein.

historische Kahnstellen in Maasholm – auch bei Regen schön …
… und bei Sonnenschein sowieso

Das Habernisser Moor, der Sprosser und das Huk – Wandern an der Flensburger Förde

Ich kann dem älteren Herrn nur zustimmen: Ja, Maasholm ist sehr schön, so wie die ganze Gegend hier an Schlei und Flensburger Förde. Bereits die etwa 25 Kilometer lange Fahrt von Maasholm nach Habernis war ein Genuss. Über sanfte Hügel ziehen sich weite Felder, auf denen der gelbe Raps leuchtet und immer wieder lugt das Blau der Ostsee dahinter hervor. Wir verabschieden uns von dem Paar aus Glücksburg, die uns noch einen guten Aufenthalt wünschen und ich war mir selten so sicher, dass wir den haben werden.

Verschiede Rundwege führen durch das Moor. Auf dem sandigen Parkplatz am Strand von Habernis, kann man sich auf einer Schautafel einen Überblick verschaffen und sogar ein kleines Prospekt mit Übersichtskarte mitnehmen. Sehr verlockend wäre es auch, einfach über den menschenleeren Strand zu laufen, über den sich die Bäume mit ihrem zarten Grün des Frühlings beugen. Der Strandabschnitt ist sogar ein Hundestrand, aber Bobby muss sich schonen. Am Tag der Abreise lahmte er mit dem rechten Bein und die Tierärztin hat zwar zum Glück nichts Schlimmeres festgestellt aber ein Schmerzmittel und Tobeverbot verschrieben.

Hundestrand in Habernis

Im Habernisser Moor soll der Gesang des Sprossers im Frühjahr ein besonderes Erlebnis sein, lesen wir in dem Prospekt. Keine Ahnung was ein Sprosser ist und wie der singt, aber um uns herum summt und brummt es lautstark in den blühenden Sträuchern. Wir springen über ein paar Pfützen und hüpfen durch sumpfige Wiesen (Wir hatten natürlich keine Gummistiefel dabei!) bis wir bald die Bohlenwege erreichen. Herrlich geht es sich darauf – fast wie auf einem Laufsteg – durch die Natur. Auch Bobby scheint diese Wege zu mögen. Ohne dass man ihm das sagen müsste, wählt er immer den Bohlenweg. Wenn wir stehen bleiben, um in die Natur zu schauen und nach dem Sprosser zu hören, bleibt auch er stehen, ohne den Steg zu verlassen und etwa rechts oder links im Gebüsch oder auf der Wiese zu schnüffeln. Dann reckt er nur die Nase in den Wind und blickt ganz ruhig und doch voller Aufmerksamkeit über die Landschaft.

Wir weichen ein wenig von den ausgewiesenen Rundwegen ab, da wir noch zum „Huk“ wollen. Dieser „Haken“ ist ein kleiner Spitz in der Flensburger Förde, der auf der Südseite die Geltinger Bucht abschließt. Entlang von Rapsfeldern und durch einem lichten Buchenwald erreichen wir die Ostsee.

Blick auf den Huk

Auf der Steilküste des Huks kann man leider nicht entlanggehen. Der Blick auf die Flensburger Förde ist den Besitzern der riesigen Grundstücke dort oben vorbehalten. Ich denke an unsere Wanderungen in Cornwall und der Bretagne, mit ihren über hunderte Kilometer langen Küstenwanderwegen. Privatbesitzer sind dazu verpflichtet, die Küstenlinie für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Wir gehen vorbei an üppigen Hecken und ab und zu können wir durch die Gärten ein Stück vom Meer sehen.

Kleines oder doch großes Glück? – Gasthäuser und Fischbrötchen in Maasholm

In der Modellregion Schlei dürfen auch die Außengastronomien unter besonderen Bedingungen wieder öffnen und zurück in Maasholm schlendern wir vorbei an kleinen Gartencafés und Restaurants. Am liebsten würde ich überall reingehen. „Ah, schau mal, das hat auch auf. Und hier, da könnten wir auch noch hingehen.“ Ich erinnere mich an meine Kindheit. Immer wenn wir in einer Großstadt waren, wollte ich unbedingt in ein Kaufhaus gehen und Rolltreppe fahren. Ich konnte mich kaum satt sehen an all den bunten Angeboten, die an mir vorbeischwebten, während ich auf der Treppe immer wieder hoch und runterfuhr. Fast wie damals spüre ich, wie mein Herz schneller pocht und ich richtig aufgeregt bin. Schnell verwerfe ich den aufkommenden Gedanken, dass es irgendwie peinlich ist und vielleicht auch unangemessen in pandemischen Zeiten, sich so sehr über eine „Banalität“ wie ein geöffnetes Restaurant zu freuen. Denn diese kindliche Freude fühlt sich großartig an und ich habe gerade richtig Lust das auszuleben. Doch wir kehren nirgends ein, denn am aller schönsten ist es am Wasser, und am Hafen schmecken die Fischbrötchen am besten. Wir sitzen noch lange in der Sonne und blicken auf die Schlei. Die Atmosphäre am Hafen ist betriebsam ohne Hektik und in den gelösten Gesichtern der Menschen meine ich zu lesen: Endlich!

Immer am Meer entlang von Pottloch bis nach nach Falshöft

Für den nächsten Tag war eigentlich Schietwetter angesagt, so dass wir vorhatten mit dem Auto die Küste von Maasholm bis zur Geltinger Birk abzufahren und immer wieder, wo es schön ist, kleine Strandspaziergänge zu machen. In Hasselberg und Krongaard steigen wir nur kurz aus. Hier führt die Straße direkt hinter einem Deich an der Küste entlang. Entsprechend betriebsam ist es und eigentlich weiß ich schon, wo ich hin will: nach Pottloch.

letzte Jahr in Pottloch – da durfte Bobby toben 🙂

Vor sechs Monaten war ich auch schon hier an diesem Strand, kurz bevor die Corona Pandemie in die zweite Runde gegangen ist. Viel ist seitdem passiert. Meine Eltern sind beide pflegebedürftig geworden. Krankheiten, das Alter und ein Jahr Corona haben ihnen eine Menge an Freiheiten genommen. Sie können sich nur schwer damit abfinden, haben aber auch nicht mehr die Kraft, neue Wege zu beschreiten. Die Welt hat sich zu sehr verändert, die Schritte sind für sie zu groß geworden, um sich wieder darin zurechtfinden zu können.

Seit Corona weiß ich nun auch, dass ich als Sozialarbeiterin und rechtliche Betreuerin „systemrelevant“ bin. Und da ich es gewohnt bin, mit den Schattenseiten unseres Lebens und unserer Gesellschaft zu tun zu haben, hatte ich vielleicht auch den Anspruch, die Corona Pandemie besonders „gut wegstecken“ zu können. Ich wollte weder jammern noch verharren und einfach abwarten. Das Leben sollte weiter gehen. Ich stellte meine Ernährung um. Ich fing mit Yoga an. Wir bastelten an unserem Dachzelt und suchten die Mikroabenteuer vor der Haustür. Reisen? Man wird es doch auch mal eine Zeit lang ohne reisen aushalten!

Eigentlich wollten wir nur einen kleinen Strandspaziergang machen. Nun laufen wir immer weiter. Die Sonne setzt sich gegen die Wolken durch und der weiße Sand fängt an zu leuchten. Bobby muss an der Leine bleiben. Ich will nicht riskieren, dass er sich noch weiter verletzt. Aber er geht ganz brav bei mir und der Wind und die Wellen irritieren ihn gar nicht mehr so wie das früher mal war.

Ich merke, wie hier an der Ostsee ganz viel Anspannung von mir abfällt und sich eine fast vergessene Unbeschwertheit breit macht. Als es vor einigen Wochen die Berichte aus Israel gab, wo die Clubs und Bars für Geimpfte wieder aufmachten und alle auf einer Welle der Euphorie schwammen, da kam mir das noch befremdlich vor. Jetzt könnte ich hier im ersten Urlaub seit dem Lockdown beim Anblick eines geöffneten Restaurants jubeln. Ich kann und will es gar nicht erklären. Ich will es einfach auskosten.

Irgendwann sehen wir den Leuchtturm von Falshöft. Viel weiter sind wir gegangen als wir wollten. Aber jetzt, wo wir schon mal hier sind, dann müssen wir einfach noch einkehren. Sie hätte heute den ersten Tag wieder geöffnet, sagt die Wirtin im Café Lichthof. Das ist wunderbar und zwei Stück Torte bitte 😉 !!

Im Frühling 2021 …
… zwei Stück Torte, bitte!
.. und wir sind wieder unterwegs. Bis bald von irgendwo 🙂

Maasholm, Schlei und Flensburger Förde (auch mit Hund) zum Nachwandern und Nachreisen

Hier geht es zu meiner Komoot-Aufzeichnung der etwa 8 Kilometer langen Wanderung durch das Habernisser Moor mit GPS Daten (anmelden ist nicht nötig, einfach runterscrollen): Flensburger Förde: Rundwanderung von Habernis durch das Moor und zum Huk

Zu unserem Ausflug in das Habernisser Moor und zum Huk wurde ich inspiriert von dem Reiseführer 52 kleine & große Eskapaden in Schleswig Holstein an der Ostsee, Tour 43: K(l)eine Pläne (Dumont Verlag)

Noch mehr Erlebnisse, Tipps und Gedanken zur Schlei und Flensburger Förde auf meinem Blog:

Die Schlei: Noch schöner als im Fernsehen? (Arnis: die kleinste Stadt Deutschlands, Sieseby, das Reetdachdorf und noch mehr von Maasholm und Pottloch)

Mehr als Meer zwischen Schlei und Flensburger Förde (Ausflug mit der Schleischifffahrt an die Schleimünde, Wanderung durch die Geltinger Birk und ganz viel Strand an der Flensburger Förde)


6 Gedanken zu “Maasholm: Das Tor zur Ostsee an der Schlei oder das große Glück der kleinen Freiheit

  1. Ohhh wie schööön 🌞, das genieße ich ja schon beim Lesen! Vielen Dank für den Bericht und die Bilder!!!
    Und warum solltest Du Dein Sonnenkind und seine Freude verstecken? Uns allen tut es gut, wenn wir uns auf alles Schöne aufmerksam machen, das doch auch da ist!
    Ich wünsche Euch noch viele schöne Touren 🤠!

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    1. Vielen Dank für deine lieben Worte! Du hast völlig recht, dass wir (ob mit oder ohne Corona Pandemie) nicht vergessen sollten, den Focus auch auf das Schöne und Positive zu richten. Und Sonnenkind klingt echt klasse 😊 Herzliche Grüße von Andrea

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  2. Juhuuu! Nächste Woche bin ich dran mit ein paar Tagen in der Schleiregion und dein Beitrag hat einfach sooooo viel Vorfreude geweckt! Deine Bilder sind ganz wundervoll und deinen Gpx Track habe ich direkt gespeichert. Ich wünsche euch und Bobby jetzt bald wieder viele tolle Touren, bleibt fröhlich!

    Liebe Grüße!
    Sandra

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    1. Oh, wie schön, dann seid ihr wahrscheinlich jetzt schon an der Schlei und an der Ostsee unterwegs?! Ich wünsche euch eine wunderbare Zeit in dieser schönen Region. Und vielen Dank für dein Kompliment für meine Fotos – die Region ist aber auch total fotogen 😉 Liebe Grüße von Andrea

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