Zauberhafte Seealpen oder die Leichtigkeit des Reisens – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 2

Seit ich bei der Vorbereitung zu unserem Roadtrip mit Dachzelt über die Alpen an die Côte d’Azur von den Seealpen gelesen hatte, faszinierten sie mich. Allein der Name zog mich sofort wie magisch an. Die See und die Alpen – das sind meine beiden Sehnsuchtsorte, zwischen denen ich mich nicht zu entscheiden vermag, an welchem ich lieber bin. Nach unserem Aufenthalt in Zermatt am Matterhorn sollte uns die nächste Etappe unseres Roadtrips genau dort hinführen. Und ich habe tatsächlich erst heute, gut einen Monat nach unserer Rückkehr, als ich die ganze Reiseroute noch einmal auf der Landkarte rekonstruierte, die Seealpen zum ersten Mal geografisch korrekt lokalisiert. Zwei Tage lang fuhren wir von der Schweiz durch die französischen Alpen bis zur Verdon Schlucht und spätestens ab Grenoble (eigentlich noch in die Hochalpen) war die Landschaft so anders und die Farben so besonders und die Berge so hoch und die Täler so weit, das mussten die Seealpen sein. Und in den Momenten, in denen ich wie verzaubert war – trotz strömenden Regen und Gewittern – von einer unfassbar schönen Natur, die uns umgab und die alles scheinbar Unwegsame und Schwere richtig und leicht machte, glaubte ich in den Seealpen zu sein, ohne zu wissen, wo die eigentlich wirklich sind.

So etwas Schönes – die französichen Seealpen?

Roadtrip mit Dachzelt nach Südfrankreich: Über die Alpen an die Côte d’Azur

Der Tag am Matterhorn war fantastisch. Bei sommerlichen Temperaturen genossen wir während unserer Wanderung auf dem 5-Seen-Weg das grandiose Bergpanorama. Aber die Abende brachen Mitte September schon früh an, und dann wurde es kalt auf dem Campingplatz in Täsch bei Zermatt auf etwa 1500 Metern. Mir war danach, möglichst schnell in den Süden Frankreichs zu fahren. Wir googelten Wegstrecken und studierten Wetter Apps, die viel Regen für die nächsten Tage voraussagten. Wir hatten noch fünf Tage im Dachzelt vor uns, bis wir in Cassis (bei Marseille) angekommen sein sollten, wo wir für eine Woche eine Ferienwohnung angemietet hatten. Von den französischen (See-)Alpen über die Verdon Schlucht nach St. Tropez und dann weiter nach Cassis (so unser grober Plan) diskutierten wir die Fürs und Widers der Routen und Möglichkeiten. Wir kamen zu keinem Entschluss oder besser: Wir beschlossen, nichts zu beschließen, sondern über Chamonix (einmal einen Blick auf den Mont Blanc werfen) über Grenoble Richtung Süden zu fahren und zu schauen, wie weit wir kommen und wonach uns sein wird.

Tschüss Matterhorn! Es geht weiter Richtung Frankreich.

Zwischenstopp Chamonix: Wo bitte ist der Mont Blanc?

Bis Chamonix hielt das Wetter und während unseres Stadtbummels durch die Innenstadt, vorbei an altehrwürdigen Gebäuden und mondänen Hotels und durch innerstädtisches Gewusel blickten wir ähnlich wie in Täsch auf der Suche nach dem Matterhorn immer wieder in die Richtung der schneebedeckten Berge und der gewaltigen Gletscherzunge, die sich beeindruckend beinahe bis an die Stadtgrenze von Chamonix erstreckt. „Wo ist der Mont Blanc?“ Irgendwann kaufte ich eine Postkarte mit beschrifteten Gipfeln. „Ach, der Buckel da?“ Der Mont Blanc, mit 4807,73 m der höchste Berg der Alpen, ist weit unspektakulärer als das etwa 400 Meter „kleinere“ Matterhorn.

Da ist er, der Mont Blanc.

Von Grenoble nach Briancon durch zauberhafte Berglandschaft

Als wir Chaminox verließen, wurde es immer diesiger und grauer. Am Nachmittag passierten wir Grenoble, dann die Abzweigung zur berühmten Bergetappe der Tour de France nach Alp d’Huez und irgendwann stellten wir uns die Frage, wo wir eigentlich übernachten sollten. Die Straße schraubte sich nun immer höher hinauf und die Wolken rissen immer weiter auf. Um uns herum tat sich eine Bergwelt auf, die so anders aussah, als das was ich bisher von den Alpen kannte. Eine Landschaft aus terrassenartig angelegten, saftig grünen Hängen, hinter denen sich mächtige Felsmassive erhoben, die von Gletschern und Schneefeldern übergossen schienen, lag vor uns. Der Höhenmesser im Auto zeigte über 2000 Meter an und die Berge um uns herum ragten weit über uns hinaus. Das Tal dazwischen war licht und weit, beinahe wie eine Hochebene. Ich fühlte mich an Nepal erinnert und spürte eine ähnliche Überwältigung und Ehrfurcht bei dem Anblick, wie ich es im Himalaya erlebt hatte. Hier irgendwo wollten wir bleiben.

Dachzeltcamping in den französischen Hochalpen und: Alles ist perfekt

Kurz vor Briancon bei Le Monetièr-les-Bains fanden wir einen Campingplatz mit dem vielversprechenden Namen „Les 2 Glaciers„. Es war ein „Camping Municipal“, die meist recht günstig sind und sich oft an besonders schönen Orten in der Natur befinden, ohne viel Schnickschnack wie Swimming Pool, Animation oder Kinderspielplatz. Der Check In war unkompliziert, unser erstes kurzes französisches Gespräch lief mit fast vergessenem Schulfranzösischkenntnissen einwandfrei und der Stellplatz mit Blick auf die Berge und die Gletscher war großartig.

Es dämmerte bereits als wir mit Bobby durch das weite Tal entlang des Flusses zu einem kleinen See liefen. Um uns herum war nur Natur, wild und ursprünglich und dabei so friedlich und harmonisch. Irgendwann blieb Bobby stehen und blickte konzentriert über den Bachlauf. Ich schaute in die gleiche Richtung und sah einen Hirsch mit einem gewaltigen Geweih im Wasser stehen, kaum 50 Meter von uns entfernt. Der Wind musste in unserer Richtung stehen, denn er ging ganz langsam, ohne uns zu bemerken, weiter in den Wald hinein. Ich lobte Bobby und er sah mich stolz an. Ohne ihn hätte ich dieses Naturschauspiel nicht gesehen. Seitdem ich es nicht mehr versuche, zu unterbinden, wenn er Wild anzeigt, sondern mich bei ihm dafür bedanke, bleibt er ruhig und bei mir – an diesem Tag auf jeden Fall – einfach perfekt – in den Seealpen – dachte ich. Dabei waren wir eigentlich noch in den französischen Hochalpen. Aber was spielt das für eine Rolle?

Dachzeltcamping in den französischen Hochalpen: Donner, Blitz und Starkregen

Wir waren wie beseelt von diesem Ort und dachten trotz des angesagten Regens und mehrerer Gewitter nicht daran, die Markise als Regenschutz aufzuklappen. Nachts wachte ich vom prasselnden Regen auf. Es blitze und ich zählte die Sekunden bis der Donner folgte. Keine Gefahr, entschied ich. Ich muss nicht in das Auto wechseln, wo Bobby als einziger völlig sicher vor einem Blitzeinschlag lag. Ich schlief wieder ein, um dann erneut durch ein mächtiges Krachen aufzuwachen. Ich sah auf die Uhr. Es war vier Uhr morgens. Die Wetter App hatte genau für diese Uhrzeit in (weiteres) Gewitter angekündigt. Jetzt erinnerte ich mich daran, worüber ich gestern Abend nicht nachdenken wollte. Ich zählte wieder: Diesmal waren es drei Sekunden zwischen Blitz und Donner. Weit genug weg, entschied ich erneut und hörte dem Regen und dem Grollen des Gewitters zu, bis ich wieder einschlief.

Am nächsten Morgen regnete es immer noch, „Das Gewitter war genau über uns“, meinte Wolfgang. Aber aus irgendeinem Grund hat auch er sich dazu entschieden, einfach weiter zu schlafen. Es gab kein trockenes Fleckchen rund um unser Auto und wir überlegten, gleich einzupacken und weiterzufahren. Ich war überfordert und wusste nicht wohin mit mir. Wolfgang schlug vor, erst mal die Markise aufzubauen, während ich mit Bobby die Morgenrunde drehen könnte. Ich war froh über eine Entscheidung und als ich mit Bobby runter zum Fluss und dem kleinen See ging, hörte es auf zu regnen und die Berge waren schemenhaft hinter wabernden Wolken zu erkennen. Beinahe kam sogar die Sonne heraus.

Während des Frühstücks vor unserem kleinen Campingmobil wunderte ich mich, dass ich nicht genervt bin: von dem Wetter, dem Matsch um uns herum, den klitschnassen Sachen, die wir gestern vergessen hatten ins Auto zu packen. Wir saßen mitten in den französischen Seealpen, die eigentlich die Hochalpen sind und alles war genau richtig so. Ich wollte nicht gegen ein trockenes Hotel mit Frühstücksbuffet und Wellnessbereich tauschen.

Wir brachen auf und nach ein paar Kilometern erreichten wir Briancon. Während unseres kleinen Spaziergangs über die Festungsanlage und durch die schmalen Gassen der höchstgelegenen Stadt Frankreichs, die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, regnete es natürlich auch wieder.

Im Blindflug durch die Seealpen und eine unerwartete Wanderung durch die Pénitons des Mees

Und es hörte erst mal nicht auf, zu regnen. Wir beschlossen, den schnellsten Weg Richtung Verdon Schlucht zu nehmen. Wir fuhren ohne anzuhalten, vorbei an dem bei schönem Wetter bestimmt sehenswerten Stausee Lac de Serre-Ponco, ebenso wie an Sisteron, das pittoresk zwischen den Felsen klebt und eigentlich auch auf meiner Liste stand. Nun waren wir tatsächlich auch geografisch in den Seealpen angekommen und sahen nichts als Regen. In Lees Mees hielten wir an. Es war Zeit für eine Pause. Auf dem großen Besucherparkplatz standen wir vor der örtlichen Sehenswürdigkeit, den „Pénitents des Mees“, einer einzigartigen Gesteinsformation, die mit ihren aufragenden Felsspitzen an die Mützen von Mönchen erinnern soll. Aber was soll ich sagen? Es regnete immer noch in Strömen. Ich erkundete die Schautafeln und die Wandermöglichkeiten über diese etwa ein Kilometer lange und über 100 Meter hohe bizarre Felsformation und als wir überlegten, nach einer kurzen Pinkelpause direkt weiterzufahren, hörte es auf zu regnen und wir gingen einfach drauf los – durch die Gassen des Dorfes und dann immer höher hinauf über einem wahrlich spektakulären Kammweg durch die spitzen Mönchsmützen und vorbei an knorrigen, vom Sturm gebeugten Bäumen. Fünf Kilometer war der Rundweg insgesamt lang, Bobby hatte großen Spaß, denn der Charakter der schmalen Wege war beinahe hochalpin, so wie er das liebt und wir auch.

Roadtrip nach Südfrankreich: Ankommen an der Verdon Schlucht

Wir waren richtig happy nach diesem unerwartet langen Spaziergang, der eigentlich fast eine Wanderung war und als wir uns der Verdonschlucht näherten, wurde das Wetter immer besser und endlich sahen wir auch etwas von der wunderschönen Landschaft in den echten Seealpen.

Zwischenstopp in Moustiers-Sainte-Marie
Erster Blick über den Stausee Lac de Saint Croix und den Eingang zur Verdon Schlucht

Am späten Nachmittag kamen wir am Campingplatz Les Pins unterhalb des kleinen Örtchen Les Salles-sur-Verdon, direkt am großen Stausee Lac de Saint Croix, an. Palmen säumten die Straße und der Campingplatz war gut besucht. Beim Check In packte ich wieder mein bestes (ich gebe zu sehr holpriges) Schulfranzösisch aus und man antwortete mir auf Deutsch. Von unserem Stellplatz aus schauten wir nicht mehr in die Natur, sondern dem Nachbarn auf den Grill. Da muss man sich erst mal dran gewöhnen.

Ich war gespannt, was uns in den nächsten Tagen erwarten würde. So viel sei schon mal verraten: In der folgenden Nacht regnete es wieder, allerdings das Letzte Mal für eine lange Zeit.

Wir mussten Pläne verwerfen und folgten spontanen Ideen an der grandiosen Verdon Schlucht bevor es dann weiter an die Côte d’Azur ging. Ich fing an, das Reisen im Dachzelt zu lieben: die Routinen des Auf- und Abbaus, die Wetterkapriolen, denen man ausgesetzt ist, das Planen und das Umschmeißen von Plänen, das sich immer wieder einstellen auf neue Orte und Situationen. Ohne es zu merken oder zu wollen oder auch nur zu hoffen, hatte ich vom ersten Tag an unserer Reise, den Stress des Alltags hinter mir gelassen. Kaum einen Gedanken hatte ich an unerledigt liegen gebliebene Arbeit oder an mögliche böse Überraschungen die daraus nach meiner Rückkehr folgen könnten, verschwendet. Die Leichtigkeit des Reisens hatte mich gepackt – in den Seealpen 😉

In diesem Sinne: Bis bald mit Teil 3 meines Reiseberichtes von unserem Roadtrip über die Alpen an die Côte d’Azur!

Am Lac de Saint Croix – bis bald von der Verdon Schlucht!

Roadtrip über die Alpen an die Côte d’Azur: Alpenroute von Zermatt zur Verdonschlucht

Und wo sind eigentlich die Seealpen?

Also, die französischen Seealpen liegen in den Départements Alpes-Maritimes und Alpes-de-Haute-Provence, die sich -wiederum in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur befinden, wovon ein Teil wiederum einfach als Provence bekannt ist… Oder ganz einfach: Da wo es besonders schön ist 😉

Die lila und die blaue Region, das sind die französischen Seealpen (aus dem Reiseführer Provence & Côte d’Azur – Vis-à-Vis dkverlag)

7 Gedanken zu “Zauberhafte Seealpen oder die Leichtigkeit des Reisens – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 2

  1. Ganz vielen Dank für den tollen Bericht von dieser Reise!!! Es macht sooo viel Spaß, das zu lesen und die Fotos anzuschauen! Denn es sind für mich ganz fremde Gegenden.
    Alles Gute im Alltag mit immer wieder schönen Erinnerungen, wünscht Tina

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