Einfach mal drauf los – mit Dachzelt in den Kyffhäuser

Anfang März, als ein paar sonnenwarme Tage mich glauben ließen, dass der Frühling schon Einzug halten würde, hievten wir das Dachzelt auf das Auto. Die Reisesaison sollte beginnen: Einfach los, einfach irgendwo hinfahren, einfach unterwegs sein. Aber dann kam die Kälte und der Winter (der ja auch noch gar nicht vorbei war) zurück. Gleichzeitig stiegen die Coronazahlen wieder und eine Lockerung, was das touristische Übernachtungsverbot angeht, rückte in weite(re) Ferne. Etwas über ein Jahr ist es nun her, dass Wolfgang und ich (natürlich mit Bobby) in Potsdam waren und uns ein Dachzelt gekauft haben.

Vor einem Jahr in Potsdam durfte natürlich ein Besuch im Schloss Sanssouci nicht fehlen.
Ein Kran, um das Dachzelt auf das Auto zu heben, gehört nun auch zu unserem Inventar 😉
Unser erster Ausflug mit Dachzelt – Ith im Weserbergland

Reisen mit Dachzelt – der Luxus des Gefühls von Freiheit

Unsere Reisepläne sind zwar seitdem fast alle der Corona Pandemie zum Opfer gefallen, aber das Dachzelt hat etwas ins Rollen gebracht. Wir haben unser gesamtes Reiseequipment optimiert, dabei vieles durchdacht, ausprobiert, geplant, verworfen und auch einiges investiert. Sogar ein neues Auto ist bei uns eingezogen. Völlig verrückt, dafür dass wir tatsächlich erst an zwei Wochenenden mit dem Dachzelt unterwegs waren, könnte man meinen. Nein, finde ich nicht, denn es macht einen riesigen Spaß, unser kleines Reisemobil startklar zu machen und damit die Möglichkeit zu haben, autark zu übernachten. Nach wie vor wollen wir nicht ganze Urlaube im Dachzelt verbringen. Die erste Wahl ist für uns immer noch die Ferienwohnung. Aber wir möchten unsere Möglichkeiten auf Reisen erweitern und (gerade auch mit Hund) noch unabhängiger unterwegs sein. Und ja, es ist für mich reiner Luxus zu wissen, spontan losfahren und irgendwo bleiben zu können – der kleine Luxus des Gefühls von Freiheit. Und der Ausblick vom Dach in die Natur und in die Sterne ist beinahe unschlagbar.

Einfach los mit Dachzelt Richtung Süden

Eine Woche vor den Osterfeiertagen (an denen mit weiteren und verschärften Ausgangsbeschränkungen zu rechnen war), stiegen die Temperaturen endlich wieder auf annähernd frühlingshafte Werte und ich sah die vielleicht letzte Chance für die nächste Zeit, zwar nicht völlig legal aber einigermaßen unbehelligt, irgendwo da draußen zu übernachten. Wir packten die Küche ins Auto, richteten das Bett (auf dem Dach) und fuhren los Richtung Süden.

Küche gepackt, Bett gemacht – Bobby ist abfahrtbereit.

Der Kyffhäuser – geschlossenes Denkmal und eine verwunschene Burg

Schon länger wollten wir mal in den Kyffhäuser. Das mächtige Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem kleinen Höhenzug hatten wir schon oft vom Südharz aus gesehen – ein Ziel war gefunden.

Und so cruisen wir an diesem Freitagvormittag mitten durch den teilweise noch verschneiten Harz, dann über schnurgerade Straßen, vorbei an riesigen landwirtschaftlichen Betrieben (wahrscheinlich ehemaligen LPGs, wir sind in Thüringen) und schrauben uns über die enge Serpentinenstraße durch den Kyffhäuser Naturpark nach oben bis zum großen und völlig leeren Parkplatz am Fuße des Denkmals. Wir haben alles für eine Nacht im Dachzelt dabei. Aber zuerst möchten wir die Gegend auf einer Wanderung erkunden und schon mal die Augen offen halten nach einem versteckten Schlafplatz.

Das Kyffhäuser Denkmal

Kurze Zeit später stehen wir vor (coronabedingt) verschlossenen Toren. Die mächtigen Absperrungen und der große Einlassbereich deuten auf jede Menge Besucher zu normalen Zeiten hin. Selbst der Außenbereich des Kyffhäuser Denkmals ist weiträumig abgeriegelt. 8,50 Euro würde die Besichtigung kosten. Wir folgen dem Kyffhäuser Wanderweg unterhalb des Denkmals Richtung Unterburg, eine mittelalterliche Burganlage, die für den Bau dieses riesigen Monumentes teilweise abgetragen wurde. Hier lässt es sich wunderbar zwischen alten Mauerresten herumstromern – Bobby liebt das. Wie ein kleines Kind springt er auf jeden Mauervorsprung und rennt jede Treppe ganz nach oben, um dann ganz stolz zu uns herunterzuschauen.

Wandern im Kyffhäuser: Waldidylle im Naturpark

Von der Burg aus folgen wir einem Hohlweg bergab durch urwüchsigen Laubmischwald und blicken bald über Streuobstwiesen Richtung Harz. Von Frühling ist noch nicht viel zu sehen, obwohl es bereits Ende März ist. Kein Grün und keine Blüte ist an den Bäumen zu finden. Auch ist es nicht so warm, wie ich mir das erhofft hätte. Ich denke kurz an die geplante Nacht im Dachzelt und frage mich, ob es eventuell etwas zu kalt dafür sein könnte. Nun geht es wieder stetig bergauf durch den Wald, der wenig Abwechslung bietet. Vielleicht nehme ich deswegen umso stärker das laute Gezwitscher der Vögel wahr. Die unterschiedlichsten Geräusche sind zu hören. Immer wieder flattern auch kleine und größere Vogelschwärme vor uns auf. Ich bin nicht so ein Fan von reinen Waldwanderungen. Ich liebe die Weit- und Ausblicke. Aber gerade genieße ich diese Kulisse sehr.

Die Rothenburg im Kyffhäuser – Sperrgebiet und groteske Begegnung am Bauzaun

Wir erreichen unser nächstes Zwischenziel, die Rothenburg. Schon auf der Hinfahrt konnten wir die Türme hoch oben aus dem Wald aufragen sehen. Nun stehen wir vor einem Bauzaun. Solche Absperrungen stoppen mich eigentlich nie sofort, sondern lassen mich erst mal nach Ausweichwegen Ausschau halten. So stiefeln wir auf einem schmalen Trampelpfad um die Bauzäune herum bis sich dieser im Wald verliert und ich aus den Augenwinkeln eine Person ausmache, die uns von der anderen Seite des Zaunes aus beobachtet. Wir drehen um und die Person geht parallel zu uns in die gleiche Richtung. Irgendwann treffen wir diesseits und jenseits des Zaunes aufeinander. Vielleicht kann er uns etwas zur Rothenburg erzählen? Er konnte:

Wegen Vandalismus hätte der Eigentümer das Areal abgesperrt. Der Wanderweg wurde umgeleitet. Nun sei er hier, um aufzupassen, sagt der Mann und deutet auf den Schriftzug „Security“ auf seiner breiten Brust. Eigentlich sollte dort eine Gaststätte eröffnet werden, aber die bereits erstandene Einrichtung wurde, wie vieles andere auf der Burg, zerstört. „Typisch deutsch“ meint er, um dann direkt zu ergänzen: „Wir sind doch überall die Bösen, egal wo wir hinkommen, sind wir die … „Er spricht den Satz nicht zu Ende, ganz so als ginge er davon aus, dass wir genau wüssten, was er meint. Während ich noch versuche den Bogen, den er da schlägt, nachzuvollziehen, holt er weiter aus: „Wir Deutschen werden doch immer gleich als Nazis bezeichnet.“ Ich werfe ein, dass mir das eigentlich nie passieren würde, da spricht er schon weiter: „Und unsere Regierung schürt das noch, weil die immer auf der Vergangenheit herumreiten. Was habe ich denn damit zu tun? Nix!“ Ich gebe zu bedenken, dass gerade diese Haltung im Ausland das Bild des „bösen Deutschen“ bestärken könnte und dass wir zu unserer geschichtlichen Verantwortung stehen sollten, anstatt davor die Augen zu verschließen. „Verantwortung? Eines wird dabei nie erwähnt. Wer ist denn verantwortlich?“ Er schaut mich an, als ob er mir gleich ein echtes Geheimnis verraten wollte. „Wo kamen die Nazis denn her? Aus Österreich! Darüber redet keiner.“ Ich bemerke, dass jeder von uns dazu beitragen kann, dass so etwas nie wieder passiert und dass es dabei wenig hilfreich ist, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als Wolfgang mich am Arm zieht und daran erinnerte, dass wir weitergehen sollten.

Eine Nacht im Dachzelt – Schlafplatzsuche im Kyffhäuser

Der Wald erscheint plötzlich abweisender und dunkler. Tatsächlich sind die Wege nun auch breiter und hässlicher. Wolfgang und ich sprechen über die Begegnung am Bauzaun und die grotesken Wendungen innerhalb des Gesprächs und ich verspüre Ratlosigkeit und Unbehagen. Wir haben kaum Augen für unsere Umgebung. Statt Vogelgezwitscher höre ich jetzt ein Motorrad nach dem anderen auf der nahegelegenen Serpentinenstraße aufheulen. Wir erreichen einen kleinen Parkplatz, den ich mir im Vorfeld schon auf der Karte als möglichen Übernachtungsplatz ausgeguckt hatte.

Der Parkplatz ist zwar durch Bäume etwas geschützt aber von der Straße aus einsehbar. Ein Forstweg führt etwas in den Wald hinein. Dort könnten wir uns mit dem Dachzelt hinstellen. Es gibt sogar einen kleinen Pavillon, wo wir uns das Abendessen zubereiten könnten. Gerade rasen wieder zwei Motorräder vorbei und ich blicke auf den Becher voll mit Zigarettenkippen, der auf dem Picknicktisch steht. Vielleicht ist das hier der Treffpunkt für die Motorradjugend aus den umliegenden Dörfern? Mir gefällt der Platz nicht. Wir setzen unsere Wanderung fort und bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein erreichen wir am späten Nachmittag wieder das Kyffhäuser Denkmal.

Abenteuer Kyffhäuser mit Sundowner am See

Als wir unser Auto erreichen, fährt gerade ein Wohnmobil auf den großen Parkplatz. Theoretisch könnten wir auch hierbleiben. Wir haben ein 24-Stunden Parkticket. Aber einfach so vor dem Kyffhäuser Denkmal stehen, obwohl es aufgrund der Corona Pandemie ein touristisches Übernachtungsverbot gibt? Wir haben Bedenken. Und die Vorstellung, versteckt auf einem dunklen Waldweg mitten im Kyffhäuserwald zu stehen, wo es zu dieser Jahreszeit ab 20:00 Uhr stockdunkel ist und man nicht weiß, wer sich da so rumtreibt, behagt mir genau so wenig. Die Abenteuerlust hat mich verlassen oder vielleicht habe ich einfach keine Lust auf Abenteuer im Kyffhäuser? „Komm. Wir kochen uns erst mal was, bevor es dunkel wird,“ war Wolfgangs Vorschlag.

Auf der Serpentinen Straße runter ins Tal sehen wir einen See vor uns liegen. Wir folgen den Schildern: Richtung Stausee Kelbra und finden den perfekten Platz für ein Abendessen. In wenigen Minuten ist unsere mobile Küche aufgebaut und pünktlich zum Sonnenuntergang lassen wir uns den Reis mit Gemüse und einen Cidre aus der Dose schmecken. Dieser Ort wäre ebenfalls ein geeigneter Platz zum Übernachten. Gerade ist auch hier ein Wohnmobil angekommen. Aber ich will nicht. Wir fahren die 130 Kilometer wieder nach Hause. Dennoch: Das wunderbare Gefühl von Freiheit bleibt – was für ein Luxus.

Und irgendwann geht es auch wieder weiter weg in den Süden oder in den Norden, oder Westen oder Osten als in den Kyffhäuser – einfach drauf los – ganz bestimmt! In diesem Sinne: Haltet durch und bleibt gesund 🙂

Rundwanderung durch den Kyffhäuser zum Nachwandern

Hier geht es zu meiner Komoot-Aufzeichnung mit GPS-Daten von unserer Wanderung (anmelden ist nicht nötig, einfach runterscrollen):

Kyffhäuser: Rundwanderung vom Kyffhäuser Denkmal und Unterburg über Streuobstwiesen und Fernsehturm


2 Gedanken zu “Einfach mal drauf los – mit Dachzelt in den Kyffhäuser

    1. Auf jeden Fall, gerade das umgreifen und dann über Kopf seitlich auf das Dach schieben finde ich sehr schwierig, da man das Zelt ja auch nirgends richtig greifen kann. Der Kran (eigentlich zum Heben von für Rigipsplatten) ist zwar auch eine etwas wacklige Angelegenheit, aber es ist damit ohne große Kraftanstrengung zu zweit gut zu schaffen. Liebe Grüße!

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