„Ab Montag ist es hier wieder ruhig. Dann sind die ganzen Wochenendbesucher abgereist“, sagte Roland als er uns durch das ehemalige Haus seiner Großeltern führte – unser Domzil für die nächste Woche im kleinen Örtchen Yport an der Küste der Normandie. Seine Frau Monique kramte noch auf dem Dachboden („Jedes Jahr nehmen wir uns vor, den mal aufzuräumen.“) nach Bettwäsche und Handtüchern, während wir den Blick vom Garten über das Dorf bis zum Meer schweifen lassen. Die Alabasterküste, dessen Steilküste zu den spektakulärsten auf dem europäischen Festland zählen soll, liegt direkt vor uns.
Ankommen in der Normandie
Und hier in Yport, einer kleinen Ortschaft, zwischen den berühmten Kreidefelsen von Étretat und dem Fischereihafen Fécamp gelegen, war an dem verlängerten Wochenende um Christi Himmelfahrt tatsächlich jede Menge los. Gedrängel im kleinen Supermarché, lange Schlangen bis auf die Straße vor der Boulangerie, Völkerwanderung auf den Klippen. Ab Montag, wie angekündigt, änderte sich das Bild. Wir teilten uns die Klippen nur noch mit den Schafen und die Strandpromenade (der Strand von Yport ist für Hund verboten) mit den Fischern und ein paar Familien, die hier nach Feierabend ein Eis essen oder einen Cidre trinken.



Doch bevor wir weiter die spektakuläre Alabasterküste in der näheren Umgebung erkundeten, ging es erst mal in einen anderen Teil der Normandie. Die riesigen Sandstrände, westlich von Le Havre an der Perlmuttküste waren unser Ziel für einen Tagesausflug.
In die Normandie reisen, heißt an den D-Day erinnern
„Ach komm, lass uns mal in die Normandie und in die Bretagne fahren, die Küste dort soll echt traumhaft sein.“ Wir buchten zwei Ferienhäuser, eins in der Normandie, eins in der Bretagne. Damit war meine Reiseplanung im Vorfeld abgeschlossen. Zu viel Arbeit und wenig Zeit begleiteten mich bis kurz vor dem Urlaub. Die Reiseführer landeten ungelesen im Reisegepäck.
Zwei Tage vor der Abreise nach Frankreich kam Wolfgang mit dem Film „Der längste Tag“ um die Ecke. „Zur Einstimmung auf die Normandie“, meinte er. Ich gebe zu, der sogenannte D-Day, die Landung der alliierten Truppen an den Stränden der Normandie, die zur Befreiung von West-Europa geführt und das Ende des 2. Weltkrieges begründet haben, hatte ich bis dahin in meiner Reiseplanung überhaupt nicht im Kopf. Und möglicherweise war dieser Film zur Vorbereitung sogar besser geeignet als jeder Reiseführer. Denn ich wurde eindringlich daran erinnert, dass eine Reise mehr ist als nur das Anschauen von Sehenswürdigkeiten und die Entspannung fernab von Stress und Alltag. Der D-Day gehört zur Seele der Normandie – vielleicht sogar mehr als die Steilküsten, Cidre oder Crepes.

Genau 75 Jahre ist es nun her, dass die alliierten Truppen an den Stränden der Normandie landeten. Und einen ganzen Monat wird hier rund um dieses Datum gefeiert. Noch bevor die Feiern ab dem 6. Juni ihren Höhepunkt mit Feuerwerk, Flugstaffeln und Großaufgebot von Politikern erreichen würden, wollten wir die fantastischen Strände und gleichzeitig geschichtsträchtigen Orte besuchen.
D-Day Museen und Landungsstrände– Wohin mit Hund?
Entlang der gesamten Küste zwischen Le Havre und der Halbinsel Cotentin befinden sich Museen, Gedenkstätten und Orte der Erinnerung. An allen Stränden landeten die Truppen der Alliierten fast zeitgleich. Die Codenamen von damals, wie Utah und Omaha Beach bezeichnen auch heute noch die einzelnen Strandabschnitte. Es ist gar nicht so einfach, eine Auswahl für einen Tagesausflug zu treffen, insbesondere wenn man mit Hund unterwegs ist. (Eine tolle Übersicht, welche Sehenswürdigkeiten und Museen an den Landungsstränden mit Hund zugänglich und geeignet sind gibt es im Blog Chien Normandie: D-Day mit Hund – Auf den Spuren des zweiten Weltkriegs unterwegs.)

D-Day in Arromanches-les-Bains – lebendige Erinnerung
Den ersten Stopp legten wir in Arromanches-les-Bain ein. Von dem dortigen 360-Grad Kino hatte ich bereits im Vorfeld gelesen. Den knapp zwanzig minütigen Film „Les 100 jours de Normandie“ wollte ich unbedingt sehen. Neben einem Museum und diverser Gedenkstätten gibt es in Arromanches les Bains auch die Reste des weltweit größten künstlich angelegten Hafens zu sehen.


Als wir in Arromanches-les-Bains ankamen waren wir aber erst mal von ganz anderem überrascht. Bereits auf dem Weg dorthin, sahen wir immer wieder alte Militärjeeps mit als Soldaten verkleideten Menschen darin. Ich fühlte mich fast wie in einer Zeitreise. Männer, Frauen und auch Kinder trugen Uniformen und Kostümen der 40-er Jahre. Seltsamerweise wirkte dieses militärischen Umfeld überhaupt nicht bedrohlich. Trotzdem etwas verstört, da dieser volksfestartige Umgang mit Krieg und Uniform für mich völlig neu und damit auch befremdlich ist, machten wir uns auf den Weg über die Promenade Richtung Museum und Kino. Bobby wurde bisher in Frankreich nicht übermäßig viel Aufmerksamkeit geschenkt. Hier aber war er ein kleiner Star. „Oh, what a lovely dog!“. Ja klar, auch die Engländer feiern hier den D-Day. Ach, ich liebe die hundeverrückten Engländer nicht nur weil sie Bobby so lieben!



D-Day am Omaha Beach – Strand soweit das Auge reicht und ein glücklicher Hund
Das zweite Tagesziel war Omaha Beach, wohl einer der berühmtesten, größten und mit am härtesten umkämpfte Landungsstrand der Normandie. Eigentlich hatten wir vor, eine kleine Rundwanderung, die in unserem Reiseführer (Normandie, Michael Müller Verlag) angegeben war, zu machen. Ganze Zeltcamps waren anlässlich der 75-Jahre-D-Day-Feierlichkeiten in den umliegenden Ortschaften aufgebaut. Wieder bestimmten antiquarische, militärischen Vehikel und viele verkleidete Menschen das Bild. Obwohl auch hier die Stimmung trotz der vielen Menschen in Uniform angenehm war, entschieden wir kurzerhand angesichts des riesigen und äußerst verlockenden Strandes, alle hier befindlichen Museen links liegen zu lassen und an den Strand zu gehen, an dem sich in diesem Abschnitt tatsächlich nur eine einzige Person ganz hinten am Horizont ausmachen ließ. Bobby war überglücklich über diese Entscheidung!


Das Ganze ging natürlich nur solange gut, bis Bobby den einen Mensch am Horizont auch entdeckte und abflog. Aber welch Wunder: Ein Pfiff in die Hundepfeiffe und mutiges Rennen unsererseits in die andere Richtung, veranlasste Bobby dazu, sein eigentliches Ziel aufzugeben und zu uns zurückzufliegen. Fazit: Kein Strandbesuch mit Bobby ohne Nervenkitzel 😉

Auf der fast zweistündigen Rückreise nach Yport haben Wolfgang und ich viel gesprochen über diesen Ausflug. Ich bin nachhaltig beeindruckt von unserem Besuch an den Landungsstränden. Mitzuerleben, wie hier in Frankreich die Befreiung von Europa gefeiert wird, war ein echtes Erlebnis. Es wurde die Freiheit gleichermaßen gefeiert, wie der vielen Gefallenen und Opfern gedacht. Die militärische Verkleidung und das Vorführen von historischen, militärischen Fahrzeugen wirkte in keinster Weise bedrohlich. Die aufgehängten Fahnen hatten nichts mit aufdringlichem Nationalismus zu tun. Ich denke, dass damit all die Menschen, die sich damals auch mit ihrem Leben für die Freiheit eingesetzt haben, gefeiert und geehrt werden sollen. Ein Volksfest für die Freiheit. Auch stilles Gedenken habe ich an den Mahnmalen beobachtet. Und mir kommt das absolut stimmig vor, auch wenn es sich fremd anfühlt. Aber ich denke, dass es auch irgendwie klar und absolut richtig ist, dass in Deutschland mit solchen Tagen völlig anders umgegangen wird.
So, nun erst mal „au revoir“ aus der Normandie! Hier geht es zu unseren Ausflügen an die spektakuläre Alabasterküste: Normandie. Alabasterküste. Étretat. So schön!
Die Landschaft ist einmalig schön. Die Geschichte dürfen wir nie wieder vergessen.
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Oh ja, da kann ich vollkommen zustimmen!
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Diese riesigen, menschenarmen Strände sind an sich schon eine Reise wert. Und in der Bretagne ist das nicht anders.
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Liebe Sigrid, das ist es! Gerade sind wir in der Bretagne (Concarneau) angekomnen. Und ich bin schon jetzt hellauf begeistert! Danke auch für deine Motivation, hier her zu reisen 😘. Salut und herzliche Grüße!
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Ach wie schön. Die Stadt von Commissaire Dupin. Erst gestern habe ich Ohrringe getragen, die ich in Ville Close gekauft habe. Ihr müsst unbedingt die leckeren Gallettes essen mit herzhafter Füllung und dazu eine Flasche Cidre aus Tassen 🍷👍🙂
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Oh ja! Das werden wir ganz bestimmt machen 😋
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Wie gut dass Ihr die Landungsstrände auch noch auf das Programm genommen habt. Die Erinnerung ist so wichtig. Und trotz der schlimmen Vergangenheit, die Strände sind einfach herrlich. Uns zieht es seit vielen Jahren immer wieder in die Region und ich habe natürlich auch darüber geschrieben. Die Fotos sind klasse!
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Oh ja, der Besuch der Landungsstrände hat mich nachhaltig beeindruckt. Die weite Anreise von Yport hat sich absolut gelohnt. Da wir ja nur einen Tag dort hatten, war ich in der Planung aber total überfordert. Es gibt einfach so viel zu sehen und zu besichtigen. Habe mir gerade noch mal deinen Artikel durchgelesen – sehr schön! Und mit Wohnmobil ist man manchmal klar im Vorteil 😉 Liebe Grüße von Andrea
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Liebe Andrea, ich komme ja garnicht weg von deiner Seite …
Wir waren auch letztes Jahr in der Normandie … So wunderschön! Nächstes Jahr soll es Richtung Bretagne gehen; da hole ich mir hier bestimmt wertvolle Tipps – liebe Grüße
Susanne
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Das freut mich aber, liebe Susanne, dass dir meine Seite gefällt! Ich denke selbst auch so gerne an unsere Zeit in der Normandie und der Bretagne zurück. Es ist einfach nur schön dort. Ich wünsche euch schon jetzt eine wunderbare Reise im nächsten Jahr! Liebe Grüße von Andrea
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