Segeln in Kroatien – einfach zum Verlieben

Logbucheintrag 24.5.20234. Tag an Bord der „Ami“, einer gecharterten Segeljacht „Bavaria Cruiser 33“; Besatzung: Skipper Wolfgang, ich als angehende Leichtmatrosin und unser Hund Bobby – Schiffsjunge, Gallionsfigur, Nase in den Wind Halter, im Weg Rumlieger, unverzichtbar;

Božava, Insel Dugi Otok, Kroatien; Frühstück an Bord, während die Sonne durch den Frühnebel bricht und das Meer zum Glitzern bringt; später: wandern mit tausendfacher 8-beiniger Begleitung durch die flirrende Mittagshitze über aussichtsreiche Hügel zur nächsten Bucht, wo das einzige Restaurant, das einen kühlen Drink versprochen hätte, geschlossen ist und uns ein paar Hunde wieder aus dem staubigen Dorf bellen; zurück in Božava: Abkühlung im glasklaren Wasser der Adria; eiskaltes Bier, knusprige Pizza und zuckersüßer Palatschinken in der schattigen Konoba mit Blick auf den Hafen; dann: Nichtstun und irgendwann den Sonnenuntergang bestaunen.

Ach ja, Seemeilen heute: Null. Wir bleiben einfach noch eine Nacht – weil es so schön ist. An meinem Lieblingsort. Wie vor 18 Jahren, als ich das erste Mal hier war. In Božava. Wie beruhigend, dass manches scheinbar immer so bleibt, wie es war.

Ein Tag in Božava …

Wie alles begann …

Meine Zweifel, ob so ein Segeltörn mit Wolfgang als Skipper und zwei Neulingen (einer davon noch dazu ein Hund) eine gute Idee ist, hatte ich bereits am ersten Tag während unserer Fahrt vom Hafen in Pirovac auf die Insel Zut über Bord geworfen. Bobby schien sich sofort wohlzufühlen. Schnell lief er wie selbstverständlich über die schmale Planke und kletterte mit unserer Unterstützung den Niedergang hoch und runter. Aber am liebsten ist er immer mit dabei, die Nase im Wind.

Von Zut ging es für uns nicht weiter – wie für die meisten, die dort anlegen – in den Nationalpark Kornaten. Und das nicht nur deswegen, weil es dort (fast) nur Ankerplätze gibt und wir noch gar nicht wussten, ob wir Bobby in das Dinghy (dieses winzige Beiboot) hineinverfrachten können, um damit an Land zu kommen. Wir wollten nach Božava. Kaum zu glauben, dass es 18 Jahre her sind, dass sich dort, in diesem kleinen verschlafenen Nest, das beinahe ausschließlich von Taucherinnen und Tauchern (das waren wir damals) und Segler:innen (als das kommen wir diesmal) angesteuert wurde, Wolfgangs und meine Wege kreuzten, und wir seitdem bis heute gemeinsam irgendwie in dieselbe Richtung gehen. Wow! Aber erst mal stand der nächste Tag auf See an. Zum ersten Mal sollten die Segel gesetzt werden. Ein Ankerstopp mit Dinghy-Überfahrt war geplant.

Logbucheintrag 23.5.2023 – 2.Tag an Bord:

Marina Zut auf der Insel Zut; nach erneut verregneter Nacht, von der Sonne geweckt; Windstärke etwa 3 Beaufort; heute das erste Mal Segel setzen: „Klar zum Segelsetzen?“ – „Ist klar!“; „Klar zum Setzen Großsegel?“ – „Ist klar!“; so oder so ähnlich; dann ziehen und kurbeln und auf einmal Stille, bis auf ein sanftes Plätschern der Wellen und ein leichtes Knarzen des Bootes; ab und an etwas zu tun: „Klar zur Wende?“ – „Ist klar.“ – „Ree!“; Höchstgeschwindigkeit 6 Knoten; „am Wind“ Kurs und leichte Krängung geben das Gefühl, schneller zu sein; dann: Flaute; Autopilot einschalten; Karten studieren; aufs Meer blicken; langweilig wird das nie; das nächste Manöver besprechen: Ankerstopp in der Bucht irgendeiner winzigen Insel; Dinghy zu Wasser lassen; uns alle von der Badeplattform hineinverfrachten: hurra, funktioniert! An Land: Strand und Insel erkunden; Bobby darf seine Geschäfte erledigen; durch blau glitzerndes Wasser laufen; auf der Rückfahrt streikt der Motor des Dinghys; Bobby bellt zu jedem Versuch, ihn zu zünden; zum Glück ein Paddel dabei; Mittagessen und Manöverbier redlich verdient; dann unter Motor Kurs auf Insel Iž; Ankunft Marina Veli Iž bei Regen; Hektik beim Anlegen; Wolfgang am Ruder; ich bereit, die Muringleine zu übernehmen; Bobby beschwert sich lautstark von unten aus der Kajüte; auf einmal ist Ruhe und der Hafenmeister ruft: „Hey, willst du mithelfen?“ Bobby steht schwanzwedelnd neben mir – ganz allein ist er den Niedergang hochgeklettert, auf dessen Stufen er vor zwei Tagen noch keine Pfote setzen wollte; ich bin gerührt und gleichzeitig kann ich ihn hier gerade gar nicht gebrauchen – aber was ein echter Leichtmatrose werden will?!

Heute: von Marina Zut nach Marina Veli Iž; 20 Seemeilen, davon 8 unter Segeln. Ziel für morgen: Hafen von Božava, Insel Dugi Otok.

Unter Segeln …

Als wäre es gestern …

Die 12 Seemeilen von Iž nach Božava auf der Insel Dugi Otok sind wir am nächsten Tag unter Motor gefahren. Kein Lüftchen wehte und als wir bereits gegen Mittag die Marina von Božava ansteuerten, hatten wir telefonisch noch keinen Hafenmeister erreicht. Das sei hier aber üblich, hatten wir irgendwo gelesen. Man sollte sich darauf einrichten, allein „einzuparken“. Während der Einfahrt in den Hafen war ich damit beschäftigt, zu fotografieren. Um zu dokumentieren, dass alles noch so aussieht, wie damals. Als wäre es gestern. Bis Wolfgang mich daran erinnerte: Das Hafenmanöver steht an! Und es lief hervorragend. Wir funktionieren besser als Segelcrew zusammen, als ich das erwartet hätte. Auch nach 18 Jahren bin ich manchmal noch überrascht von uns beiden.

Gar nicht überraschte mich Božava. Zum Glück. Der kleine Hafen, die drei Restaurants, die autofreien Gassen, die blau angestrichene Tauchschule, dieser Ort, in dem man sich einfach über den Weg laufen muss, wenn man länger als einen Tag da ist. Und das taten wir: Wolfgang mit seinen Jungs und ich mit meiner Freundin. Als gehörte uns in diesen paar Sommertagen die ganze Welt – die gleichzeitig so weit weg schien. Einfach zum Verlieben. Dass das Ganze länger als einen Urlaubsflirt dauern würde, hätte ich damals niemandem geglaubt. Aber ich sage ja, ich bin immer wieder überrascht …

… damals wie heute – naja, das Grinsen war damals noch ein wenig breiter 😉

So könnte es endlos weiter gehen …

Als wir morgens von Božava in das Blau des Meeres und des Himmels starten, haben wir noch zwei Tage auf See vor uns. Übermorgen müssen wir wieder im Hafen von Pirovac sein, um am nächsten Morgen (am Samstag ist auch in den Häfen immer „Bettenwechsel“) unser Boot wieder abzugeben. Wo wir die nächste Nacht verbringen, wissen wir noch nicht genau.

Wir umrunden die Insel Sverinak, auf der wir damals mit all den Leuten, mit denen wir durch diese wunderbare Woche im Sommer 2005 getaumelt sind, unser Abschiedsessen hatten. Dann passieren wir die Küste von Sestrunj und halten Ausschau nach einem geeigneten Ankerplatz für unseren Mittagsstopp. Nicht zu eng sollte die Bucht sein (Ankermanöver!), mit Strand (damit Bobby vom Dinghy ins seichte Wasser springen kann, wir wissen immer noch nicht, ob er schwimmen kann) und natürlich am besten schön einsam. Irgendwo auf der Insel Ugljan werden wir fündig. Herrlich ist das, einfach an irgendwelchen Traumbuchten zu stranden.

Auf dem Rückweg wieder das gleiche Spiel: der Motor vom Dinghy streikt. Wieder heißt es: paddeln. Eine Arschbombe von der Badeplattform in das türkisblaue Wasser musste daraufhin einfach sein. So könnte es endlos weiter gehen.

An Zadar vorbei, dessen Silhouette sich vor den mächtigen Felsen des Velebitgebirges abzeichnet, erreichen wir den Hafen von Kukljica auf der Insel Ugljan. Beinahe Vis a Vis von Sukošan, quasi im Windschatten der größten Marina Kroatiens, erhoffen wir uns eine ruhige Nacht. Der entspannteste Hafenmeister unserer gesamten Reise begrüßt uns am Pier, an dem wir kaum Charterjachten ausmachen können. Uns gegenüber liegt ein uralter Zweimaster, bis obenhin mit Kram vollgepackt, der durch Planen halbwegs verdeckt wird. Wir bezahlen die kleine Gebühr für eine Nacht und erhalten die Schlüssel für die Duschen und Toiletten, die sich weit weg, ganz am Ende des Hafenbeckens befinden.

Restaurants und Eisdielen reihen sich um den Hafen von Kukljica, wo wir etliche Grüppchen junger Männer mit Bierdosen in der Hand begegnen. Irgendwann werden es weniger und bald ist keiner mehr da. Das letzte Ausflugsschiff von einem der großen Häfen am Festland ist abgefahren. Ganz anders wirkt der kleine Ort auf einmal, Kinder spielen auf der Straße und irgendjemand hat hier wohl ein ganz besonders großes Herz für Katzen. Ein liebevoll gebautes Katzenhaus mit mehreren Zimmern und allem, was dazu gehört, steht in einer Nische an der Promenade. Die Katzen scheinen bekannt und beliebt zu sein. Später, als wir uns zum Abschluss eine riesige Fischplatte teilen, beobachten sie uns dezent aus dem Hintergrund, wohlwissend, dass sie stets genug zu essen kriegen und nicht darum betteln müssen.

Logbucheintrag 26.5.2023 – 6.Tag an Bord:

Marina Kukljica auf der Insel Ugljan; Morgens Frühstück bei strahlendem Sonnenschein; aus dem Boot gegenüber, von dem wir dachten, es wäre ein reines Möbellager hören wir eine Stimme; wienerisch; jemand steigt mit dem Handy am Ohr irgendwo aus einer der Abdeckplanen hervor; braungebrannt, drahtig, gebückter Rücken; ein zweiter Mann, in der Hand ein Kulturbeutel; kommt von der wirklich weit entfernten Dusche zurück; hat Mühe das Gleichgewicht auf den zittrigen Beinen zu halten; strauchelt über die wackelige Planke ins Boot, wo augenscheinlich kein Zentimeter Platz für zwei Menschen ist; „Der Kaffee ist fertig“; beide verschwinden irgendwo im Boot. Zu gerne hätte ich mir die Geschichte dieser beiden alten Abenteurer angehört. Aber sie sind mit sich selbst beschäftigt, mit ihren täglichen Routinen und Herausforderungen. Sie haben uns noch nicht mal bemerkt.

Dann Aufbruch; Segel setzen; morgens ist das Meer besonders blau; ohne große Manöver ganz entspannt durch den Pašman Kanal segeln; ab und zu den vielen anderen Booten ausweichen und sich gegenseitig zuwinken; Gedanken schweifen lassen; Tankstopp in Murter: ein Vordrängler (kleines, lautes Motorboot) nervt, ansonsten klappt alles gut; das letzte Manöver durchsprechen: anlegen im enge Hafen von Pirovac; Windrichtung klären: leichte Bora am Hafen; rückwärts einfahren, rechtzeitig aufstoppen; Wolfgang hat alles im Griff und ich mache auch irgendwie vieles richtig – geschafft! Das nächste Boot verkeilt sich (zum Glück nicht mit uns); große Aufruhr im Hafen; hier wird ein Boot touchiert und dort wird sich in einer Muringleine verhakt; endlich Hafenkino; vor 6 Tagen sind wir hier gestartet; beinahe als wäre es ewig her; heute viel näher an dem Gefühl von vor 18 Jahren als an dem von vor einer Woche; Alltagsstress ist abgefallen, Zweifel haben sich aufgelöst; dankbar für die beste Crew der Welt; damals wie heute – und morgen ganz bestimmt auch noch …

Heute: von Marina Kukljica auf der Insel Ugljan nach Marina Pirovac, Festland Kroatien, 25 Seemeilen, davon 10 unter Segeln; morgen: Abreise nach Hause; aber: neue Abenteuer sind in Planung; Teaser: Bald geht es mit Dachzelt nach Wales – also: dranbleiben lohnt sich 🙂

Hier geht es zum ersten Teil unserer Segelreise:

Mit Segelboot und Hund in Kroatien oder die Sache mit dem Vertrauen

Segeln in Kroatien – unserer Route mit Etappen


5 Gedanken zu “Segeln in Kroatien – einfach zum Verlieben

  1. Wenn das nicht suuuper ist 😀! Danke für die tolle Lesereise und die herrlichen Fotos! Ihr seid eine prima Crew, und Frühstück vom Skipper würde mir auch lecker schmecken 😉.
    Ich wünsche euch noch viele schöne Reisen und freue mich auf weitere Berichte.

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