Nach diesem harten Tag nach Ghyaru und der bitterkalten Nacht wachte ich durch das Geraeusch von Schneeschippen auf. Die Sonne strahlte, und hinter dem Panoramafenster unseres Zimmers war die ganze Schoenheit der Bergwelt zu sehen. Trotzdem habe ich in dieser weiteren fast schlaflosen Nacht (Herzrasen und Atemnot nur beim Wenden im Bett und Dauerkopfschmerz) entschieden, das ich den Pass nicht gehen moechte. Ich habe die gesamten Bedingungen unterschaetzt und ich fuehle mich dieser Hoellen-Tour (an einem Tag von 4500 m auf 5500 m und direkt wieder Abstieg auf 3900 m) nicht gewachsen. Zu viel Respekt vor der Kaelte und Hoehe. Volker hat zum Glueck volles Verstaendnis dafuer und wir beschliessen gemuetlich bis nach Manang zu gehen. Es war noch ein herrlicher Tag. Auf einem Hoehenweg ging es durch traditionelle Gurung-Doerfer und nach Muji (3200 m).
In der Lodge dort trafen wir auf eine Gruppe junger Leute aus Kathmandu, die einerseits dort ins neue Jahr hineinfeiern wollten (offizieller Neujahrstag ist in Nepal der 13. April) und andererseits auch eine Reise zu ihren Wurzeln machten. Die Eltern von dreien von ihnen kommen aus Doerfern in der Gegend. In einem der Doerfer leben mittlerweile nur noch zehn Menschen. Eine Tourismusstudentin aus der Gruppe fragte mich: „Welche Persoenlichkeit hat fuer dich die Annapurna – Region?“ Die Annapurna Region ist fuer mich eine extreme Persoenlichkeit. Es ist teilweise so kalt und die Bedingungen so hart, das man sich kaum vorstellen kann, wie Menschen hier ueberleben koennen. Frauen gehen jeden Tag mehrere Stunden mit Wasserkanistern, Teekesseln und kleinen Snacks steil bergauf, um am Wegesrand eine mobile Teekueche, eine Art „Truckstop“ fuer die Traeger und sonstiger Passanten aufzubauen. Alles muss mueselig oft tagelang zu Fuss nach oben getragen werden, durch Regen und Schnee, an den Füssen nur Gummischlaeppchen. Wenn es am Nachmittag kalt wird, gibt es nur eine Feuerstelle in der Kueche und die Berge wirken unheimlich und bedrohlich fuer alles Leben. Dann wiederum, wenn die Sonne scheint, ist die Bergwelt so wunderschoen. In den Doerfern ist Leben: Kinder, Ziegen Huehner, Hunde, alle sind froehlich. Die sind Eltern geduldig und super lieb zu ihren Kindern. Die Menschen sehen entspannt und gluecklich aus. Dann wirkt es wie der friedlichste Ort der Welt. All das ist die Annapurna Region.