Vor einiger Zeit haben wir in der Weinregion an der Saale und Unstrut auf der Durchreise einen Stopp eingelegt, um die Sektkellerei Rotkäppchen zu besichtigen. Das lohnt sich auch wirklich: Bei einer Führung durch die historischen Weinkeller kann man die Geheimnisse der Sekt- und Weinherstellung kennen lernen. Aber was mir noch mehr im Gedächtnis hängen geblieben ist, ist die Umgebung. Rechts und links der Flüsse Saale und Unstrut erheben sich Weinberge, Wälder und scheinbar überall ragen Burgruinen hervor. Der Dom von Naumburg, einer der Höhepunkt der Straße der Romanik, ist immer weit sichtbarer Orientierungspunkt. Seitdem wartet diese Region auf einen etwas längeren Besuch durch uns. Und nun waren wir über ein Wochenende da und ich kann es vorweg nehmen: wir sind ein klein wenig verliebt.
Himmelreichweg – historische Denkmäler, Burgen, Weinberge – ein Weg unter blauen Himmel

Mittags angekommen in der Region bei herrlichem Sonnenschein, machten wir uns gleich auf nach Bad Kösen zu unserer ersten Wanderung auf dem Himmelreichweg. Das klang gut und der Weg war auch gut besucht. Mit Bobby ist das im Moment zum Glück kein Problem. Menschen sind ihm derzeit ziemlich egal, wenn sie ihn in Ruhe lassen. Er ist damit beschäftigt, den Boden abzuschnüffeln, damit ihm auch ja keine Spur irgend einer Hundedame entgeht.
Durch einen schönen Laubwald ging es sanft immer höher. Vorbei ging es an der Rudelsburg und der Ruine von Burg Saaleck. Immer wieder gab es schöne Ausblicke ins Saaletal und auf die gegenüberliegenden Weinberge. Zudem entdeckten wir auch weitere kulturelle Überraschungen, wie z.B. ein riesiges Löwendenkmal in einem historischen Steinbruch und ein Denkmal des jungen Bismarcks mit seinem Hund. Wie immer wollte ich Bobby vor jeder Sehenswürdigkeit fotografieren. Es ist witzig, mittlerweile muss ich nur das Wort „Foto“ sagen, da setzt er sich schon in seine unwiderstehliche Pose. Auch vor dem riesigen Löwen saß er ganz brav mitten auf der großen Wiese und schaute total gleichgültig durch die Gegend. Wolfgang und ich standen beide davor mit unseren Kameras und versuchten DAS Foto zu schießen. Da hörten wir hinter uns: „Oh schau mal ein Hundemodel, wie süß!!“ Und eine Traube von Menschen beobachtete das Spektakel und machte ebenso Fotos davon. Bobby blieb cool sitzen, voll „edgy“, echt professionell 😉

Nachdem wir die Burgruinen passiert hatten, ging es durch das Tal auf die andere Seite der Saale und ziemlich steil bergauf zur Gaststätte Himmelreich. Der Charme und das Essen der Gasstätte waren allerdings eher „nostalgisch“. Als wir weitergingen sahen wir zwei Paare, die uns schon zu Beginn des Weges überholt hatten beim Picknick auf der Wiese in der Abendsonne mit tollem Blick auf die beiden Burgen: Die haben es richtig gemacht! Wir hatten ja schon gegessen und genossen trotzdem den Ausblick.
Auf dem Weg zu unserem Hotel fuhren wir an einem riesigen alten Burg ähnlichen Gemäuern vorbei, im abendlichen Zwielicht erinnerte diese Anlage an die Zauberschule aus Harry Potter. Für diesen Tag zu müde, stand die Erkundung dieses Gemäuers ganz oben auf dem Programm für den nächsten Tag.
Ein besonderer Moment zum Frühstück
Unser Hotel, eine ehemalige Brauerei bei Naumburg, lag sehr schön direkt an der Saale. Bobby fühlte sich wohl und auch beim Frühstück gab es keinerlei Probleme. Die Frühstücksräume waren groß genug, dass wir weit weg von einer von Bobby angebeteten Yorkshire Terrier Hündin einen Tisch bekamen. Als wir Platz nahmen, kam eine ältere Dame auf uns zu, den Blick auf Bobby gerichtet und sagte: „Da muss ich doch mal Kontakt aufnehmen“… Ich wies schnell darauf hin, dass Bobby sich nicht so gerne anfassen lässt von Fremden. Und ich sah ihn schon an der zarten, alten Dame hochspringen, nach den Armen schnappen, Blut aus der dünnen Haut fließen…
Während diese Szenarien in einem Bruchteil einer Sekunde vor meinem geistigen Auge abliefen, hörte ich die alte Dame mit ruhiger Stimme erzählen, dass sie als Kind einen weißen Königspudel hatte. Der wurde von den Nazis erschossen. Ein Trauma sagte sie, dass man nie überwindet. Ich vergaß, was ich gerade dachte und hörte nur noch zu. Sie erzählte weiter von ihrem Labrador, den sie später hatte, ein toller Hund. Und während sie sprach, schnupperte unser Pudel-Labrador-Mix Bobby vorsichtig an der von ihr ganz unbemerkt hingehaltenen Hand. Er schmiegte sich an die Beine der alten Dame und war ganz ruhig und entspannt. Dann strich sie ihm noch über den Kopf und er sah sie an. Sie verabschiedete sich mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen noch viele Jahre Freude mit ihrem Hund.“ Wir alle, inklusive Bobby schauten ihr hinterher. Der Tag versprach schön zu werden.
Schulpforte – Hogwarts von Sachsen – Anhalt
Und wir wurden nicht enttäuscht! Als erstes stand die „Harry-Potter-Zauberschule“ auf dem Programm. Tatsächlich handelte es sich um eine traditionsreiche Schule. Die „Schulpforte“ ist ein ehemaliges Kloster aus dem 11. Jahrhundert, dass aber schon seit dem 15. Jahrhundert eine Schule beheimatet. Berühmte Persönlichkeiten sind hier zur Schule gegangen, unter anderem Friedrich Nitzsche. Heute ist das Eliteinternat „Landesschule Pforta“ dort untergebracht. Der Rundgang durch das Gelände ist mystisch, ehrwürdig, architektonisch und historisch hochinteressant und es strahlt eine wunderbare Ruhe aus.
Tote Täler und ein ehemaliger Truppenübungsplatz mit Wildpferden
Noch voller Ehrfurcht vor den alten Gemäuern ging es nach Roßbach, Ausgangspunkt unserer heutigen Tour durch „Lebendige Natur in Toten Tälern“. Als erstes auf einer Teilstrecke des Jakobsweges ging es auf einer Anhöhe über weite Felder bis der Weg abzweigte in die Toten Täler. Einer Sage nach wurde das Tal für viele Menschen, die wegen eines Konflikts mit den Ungarn im Jahr 933 dort Zuflucht suchten, während eines Unwetters zur tödlichen Falle. Heute ist hier ein Naturschutzgebiet mit urwüchsigem Laubwald und einzigartigen Orchideenwiesen, die leider erst im Mai blühen. Die Toten Täler hinter uns lassend, kamen wir auf eine sonnige Lichtung. Der richtige Platz, um es den Leuten, die wir gestern in der Abendsonnen gesehen haben, nach zu machen: Picknick!
…Schuhe aus, Wein, Käse und Trauben, Sonne genießen…
Ausgeruht und gestärkt lag die Hälfte der etwa 14 km langen Wanderung hinter uns und wir erreichten den ehemaligen Truppenübungsplatz „Rödel“. Durch das besondere Klima und der besonderen Nutzung dieses Gebietes hat sich eine außergewöhnliche Flora und Fauna dort entwickelt. Seit einigen Jahren wird erfolgreich versucht, diese Vielfalt aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck sind auch Wildpferde dort angesiedelt worden. Und wir hatten Glück: aufgrund der Sonne, sammelten sich die Pferde im Schatten einer Baumgruppe ganz nah an unserem Weg: ein tolles Erlebnis.
Zum Ende der Tour ging es vorbei an Weinbergen und schönen Ausblicken auf Naumburg. In einem Dörfchen kurz vor Roßbach, unserem Ausgangspunkt, steuerten wir mit Kaffeedurst das einzige Lokal an. Cappuccino gab es nur mit Schlagsahne, da wählte ich dann lieber, wenn schon denn schon, den Eierlikörbecher mit Pott Kaffee… auch hier: ganz nostalgisch, ganz Landes typisch, aber echt lecker 😉
Region Saale-Unstrut auf dem Weg zum Welterbe
Zwei Tage voller Naturerlebnisse, kultureller Einblicke und historischen Entdeckungen in dieser kleinen und nördlichsten Weinregion Deutschlands Saale-Unstrut, die übrigens auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe ist. Die gesamte Region wirkt teilweise noch etwas der Zeit zurück hinkend, was aber gerade so neugierig macht, sie zu entdecken. Und die Entdeckungen haben uns alle positiv überrascht: Neben den netten Hunde freundlichen Menschen ist auch die touristische Infrastruktur sehr gut aber unaufdringlich. Die Wege sind gut ausgeschildert und die Internetseiten sehr informativ und hilfreich. Zudem war das Wetter natürlich fantastisch: was will man mehr?

Liebe Andrea,
einen wirklich sehr informativen und schönen Bericht hast du geschrieben und ich werde ihn in meinem Beitrag an entsprechender Stelle – Freyburg/Naumburg – verlinken für Leute, die mehr über diese Region erfahren wollen.
Du hast recht, ein wenig verschlafen und der Zeit hinterher wirken viele Orte im Osten, aber vielleicht macht das gerade den Reiz aus! Liebe Grüße, Sigrid
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