Blau, blauer, Côte d’Azur – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 4

Im Gänsemarsch gehen wir in einer nicht abreißenden Menschenschlange auf dem schmalen Bürgersteig Richtung Calanques, unserem heutigen Wanderziel. Mehrere hundert Meter tief brechen hier am westlichsten Zipfel der Côte d‘Azur, zwischen Cassis und Marseille, die weißen Kalkfelsen ins Meer ab. Unzählige kleine Buchten, die sogenannten „Calanques“, schneiden sich wie enge, steile Fjorde weit in die Landschaft hinein.

Blick von de Route de Crêtes auf die Calanques bei Cassis

Zunächst erreichen wir aber den gut besuchten Stadtstrand Plage de Bestouan, einer der Stadtstrände von Cassis. Wir beobachten von der kleinen Promenade aus das bunte Treiben – ein ungewohnter, beinahe befremdlicher Anblick für mich. Jahrelang, spätestens seitdem Bobby bei uns eingezogen ist, war ich nicht mehr an einem reinen Badestrand. Dort, wo Menschen einfach in der Sonne liegen, im seichten Wasser herumstehen, sich auf bunten Luftmatratzen über das Meer treiben lassen. Bobby beäugt die Szenerie kritisch. Zu viel Trubel mag unser Hund gar nicht. Voller Konzentration sitzt er da. Nichts kann ihn davon ablenken, alles im Auge behalten zu wollen. Aber er bellt nicht korrigierend als ein Kind zu schnell für seinen Geschmack durch das Wasser flitzt. Er wendet seinen Blick nur kurz ab. Er hat gelernt, sich zu beherrschen. Immer öfters zumindest. „Oh, le chien! Comme un Maitre de Bain!“ lacht eine Frau neben uns. Wolfgang und ich müssen auch lachen. Bobby sieht tatsächlich aus wie ein Bademeister, wie er da mit seinem roten Brustgeschirr und strenger Miene argwöhnisch die fröhlichen Menschen das furchtbare Durcheinander unten am Badestrand beobachtet.

Plage de Bestouan – Stadtstrand von Cassis

Ankommen an der Côte d’Azur: Beeindruckt und überfordert.

Es ist Mitte September und die Hauptsaison hier an der Côte d’Azur ist vorbei. Aber es ist Wochenende, die Temperarturen sind sommerlich warm und die Menschen strömen in Massen ans Meer. Das haben wir schon gestern bei unserer Ankunft bemerkt. Im dichten Verkehr quetschten wir uns durch die schmalen Gassen von Cassis bis zu unserer Ferienwohnung. Während Wolfgang mit Bobby am Auto wartete, lief ich die steilen Treppen runter zum Hafen und war beeindruckt und überfordert zugleich von der Kulisse aus bunten Häuschen, betriebsamen Bars, den vielen Booten und flanierenden Menschen und von den steilen Felswänden der Calanques, die die Bucht von Cassis umrahmen. Madame B. hat mir vorher am Telefon genau erklärt, wo ich sie finde. Ich bin erstaunt, wie gut das in diesem Urlaub mit meinem lange verschütteten Schulfranzösisch funktioniert. Zielsicher erreichte ich am Ende des Hafens das kleine Geschäft und Mme B. übergab mir die Schlüssel für die Ferienwohnung. Sie wohne im gleichen Haus, aber meistens würden wir sie im Laden antreffen, wenn wir etwas bräuchten.

An diesem Abend brauchten wir erst mal Nichts, außer ein kühles Bier. Von unserer Terrasse blickten wir auf die Côte d’Azur. Es tat gut, zu wissen, dass da unten am Hafen von Cassis das Leben pulsiert. Aber nach über einer Woche, die wir auf unserem Roadtrip mit Dachzelt nach Südfrankreich fast ausschließlich in der Natur verbracht hatten, war ich erst mal ganz froh, das Ganze mit ein wenig Distanz von unserer Ferienwohnung aus auf mich wirken lassen zu können.

Wandern im Nationalpark Calanques: Immer der Küste entlang.

Der Küstenabschnitt der Calanques stand bei der Planung unserer Reise nach Südfrankreich groß auf dem Zettel, und gleich am ersten Tag nach unserer Ankunft sind wir heute früh direkt von der Haustür in Cassis losgelaufen, um einen Teil dieses Nationalparks, der etwa 88.00 Hektar Land und 140.000 Hektar Meer umfasst, auf einer Wanderung zu erkunden.

Nachdem wir Bobby von seinen Aufsichtspflichten als Bademeister erlöst haben, gehen wir weiter durch ein deutlich ruhigeres Wohnviertel und erreichen bald ein lichtes Kiefernwäldchen, durch das wir das Meer immer wieder türkisblau blitzen sehen. Wir haben die Calanque de Port Miou erreicht, in dessen Spitze sich ein Yachthafen befindet. Fasziniert entdecken wir auf unserem Weg entlang der schmalen Bucht immer wieder neuen Blickwinkel auf die dekorativ aufgereihten Segelboote im glitzernden Wasser vor den mit Kiefern begrünten Kalksteinwänden.

Bobby ist mal wieder auf Beobachtungsposten: Ein einfahrendes Boot in die Calanque de Port Miou darf nicht aus den Augen gelassen werden.

So gut gefällt es uns bereits hier (noch wissen wir ja nicht, dass es später noch viel spektakulärer werden sollte), dass wir uns für einen spontanen Schlenker auf die kleine Halbinsel La Cacau entscheiden. Keinen Menschen treffen wir auf dem bewaldeten Eiland und wir machen an allen sich uns bietenden Aussichtspunkten Halt, um auf das unglaublich blaue Wasser der Côte d‘Azur und die beeindruckende Küste der Calanques zu blicken.

Was, schon wieder das Boot?! Nun verlässt es den Hafen. Auch das muss genau überprüft werden.

Wandern an der Côte d’Azur: Eine Augenweide.

Wieder zurück auf unserer geplanten Route, erreichen wir die nächste Bucht, die Calanque de Port Pin, an dessen kleinen Sandstrand jede Menge los ist (zu viel für Bobby und uns). So folgen wir direkt weiter dem Küstenwanderweg. Etliche Wanderer kommen uns entgegen: Familien, Freundesgruppen, Pärchen. Und wie Vieles, ist auch das Wandern an der Côte d’Azur etwas fürs Auge. Männer wandern hier gerne mit freiem Oberkörper und kurzen Shorts, Frauen mit knappen Tops und ebensolchen Hosen oder Röcken, als Gepäck dabei: maximal eine kleine Umhängetasche, eine Wasserflasche und ein Handtuch. Und ja, alle können es sich tatsächlich leisten, sich so zu präsentieren. Ich kommen mir vor wie aus einer anderen Welt mit unserer weiten Funktionskleidung und den großen Wanderrucksäcken.

Strand in der Calanque de Port Pin

Immer höher steigen wir und immer weiter öffnen sich nun die Blicke in die Ferne und bald auch in die nächste Bucht, die Calanque d’en Vau, in der ganz tief unten ein Strand liegt, den man nur über einen steilen Pfad erreichen kann. Wir verzichten. Zu weit ist der Tag bereits fortgeschritten und außerdem können wir nicht genug bekommen von der Aussicht hier oben über die bizarren Felsen auf das Meer, in dem die kleinen vorgelagerten Inseln im gleißenden Gegenlicht der Spätnachmittagssonne zu schweben scheinen.

Da unten ist der Strand der Calanque d’en Vau

Bis nach Marseille könnte man immer an der Küste entlang durch die Calanques wandern. Aber für heute müssen wir umkehren. Der Abend naht. Durch das Hinterland gehen wir zurück zur Calanque de Port Pin, wo sich der kleine Strand leert und wir nun wieder, wie heute Vormittag in Cassis, im Gänsemarsch in einer nicht abreißenden Menschenschlange den schmalen Wanderweg zurück, Richtung Port Miou, laufen. Als wir unsere Ferienwohnung erreichen, ist die Sonne schon fast untergegangen. Etwas später schauen wir von unserer Terrasse dem Mond beim Aufgehen zu – hinter den roten Steilwänden des bis zu 400 Meter hohen Cap Canaille – eines unserer weiteren Ausflugsziele für die nächsten Tage.

Wenn es Nacht wird in Cassis

Cassis mit Hund: Morgens, wenn die Stadt erwacht.

Jeden Morgen drehen wir mit Bobby eine Runde durch die schmalen Gassen bis zum Hafen von Cassis. Dann herrscht diese beschauliche Betriebsamkeit, die es in Städten nur in den frühen Morgenstunden gibt. Ich mag diese Stimmung. Kinder, die sich auf den Schulweg begeben. Cafés und Restaurants werden beliefert und für den Ansturm des Tages vorbereitet. Fischer bringen ihren Fang an Land.

Direkt neben dem Hafen befindet sich der zweite Stadtstrand in Cassis, der Plage de la Grand Mer. Wie auch der Plage du Bestouan ist er in den Sommermonaten bewacht und ganzjährig für Hunde verboten. Unter der Woche, morgens und dazu noch in der Nachsaison im September ist dort kein Mensch und wir lassen Bobby durch das seichte Wasser toben bis (wie jeden Morgen) der erste Schwimmer kommt, ein älterer Herr, der kraftvoll seine Bahnen durch das pastellblau schimmernde Wasser zieht. Wir tun es ihm nach, während Bobby seinem Job als Bademeister ausüben darf 😉

Dann blicken wir noch ein wenig auf das Meer, das mit der aufsteigenden Sonne und dem Erwachen das Tages immer tiefblauer wird, kaufen auf dem Rückweg in einer kleinen Boulangerie Croissants und Baguette, um beim Frühstück unseren weiteren Tag zu planen.

Côte d’Azur: Für Hunde im Handtaschenformat besser.

Meistens fahren wir tagsüber raus aus Cassis. Die kleinen Geschäfte, Boutiquen, Cafés und Restaurants sind hübsch und einladend. Auch wenn Hunde fast überall erlaubt sind, haben wir dennoch das Gefühl, das Hunde an der Côte d’Azur nicht wirklich willkommen sind. Leute setzen sich wegen Bobby vom Nachbartisch weg und wir ernten skeptische Blicke, wenn Bobby mal im Weg liegt oder sogar bellt. Für große Hunde ist schlicht und ergreifend auch wenig Platz an den kleinen Bistrotischen und in den engen Gassen eines betriebsamen Fischerortes. Hunde im Handtaschenformat passen vielleicht besser an die Côte d’Azur?!

Route de Crêtes bei Cassis: Atem(be)raubendes Cap Canaille.

In den nächsten Tagen erkunden wir die Küste östlich von Cassis. Über die Route de Crête geht es atem(be)raubend über das Cap Canaille, das an seinem höchsten Punkt fast 400 Meter senkrecht ins Meer stürzt. Die spektakuläre Straße windet sich entlang der Küstenlinie und auch einen Küstenwanderweg gibt es auf dieser höchsten Klippe Europas. Bei starkem Wind ist der Wanderweg gesperrt, und wenn man hoch oben, beinahe an der Abbruchkante entlanggeht, kann man nachvollziehen warum. Während unserer Wanderung weht kaum ein Lüftchen. Dafür brennt die Sonne auf den kargen Klippen und schwindlig wurde mir auch ein wenig – von der gigantischen Höhe, der fantastischen Aussicht und dem so einzigartig blauen Meer, hier an der Côte d’Azur.

Die Inseln von Hyères mit Hund: Traumstrand gefunden auf Porquerolles.

Einer unsere Ausflüge führt uns an die „Juwelen des Mittelmeers“, zu den „Goldinseln“, in das „kleines Paradies“, so werden die Inseln von Hyères auf Tourismusseiten beschrieben. Und tatsächlich habe ich bereits bei der Überfahrt mit dem Boot von der Ortschaft Hyères auf die Insel Porquerolles den Eindruck, dass hier das Wasser noch etwas türkiser und der Himmel noch etwas blauer leuchten.

Blau, blauer, …
… Côte d’Azur!

Jede Menge Wanderwege durchziehen Porquerolles. Die meisten Besucher sind mit dem Fahrrad unterwegs, die man am Hafen mieten kann. Die großen Hauptstrände sind leider, wie fast alle Strände in Südfrankreich, für Hunde verboten. Aber es ist so wenig los, dass wir niemanden stören, als wir mit Bobby durch das glasklare Wasser waten und später entdecken wir auf unserer Wanderung über die Insel Porquerolles einige versteckte Buchten und unseren kleinen privaten Traumstrand. Tatsächlich: Wie im Paradies. Wunderbar!

Wir haben unseren privaten Traumstrand gefunden!

Roadtrip durch Südfrankreich: Die Reise geht weiter.

Nach einer Woche in Cassis packen wir das Auto zusammen. Unser Roadtrip durch Südfrankreich geht weiter. Wir tauschen die Ferienwohnung wieder gegen das Dachzelt. Ich freue mich darauf. Die Camargue am Rhonedelta ist unser nächstes Ziel. Dort soll es rosa Flamingos, weiße Wilpferde, schwarze Stiere, echte Cowboys und riesige Strände geben mit viel Freiheit für Hunde und Menschen. (Hier geht es zu meinen Gedanken und Bildern aus der Camargue.)

Viel Freiheit für Hund und Mensch am riesigen Strand Piemanson in der Camarque

Côte d’Azur mit Hund: Es geht.

Die Côte d’Azur macht ihrem Namen wahrlich alle Ehre und hat viel zu bieten, nicht nur fürs Auge. Aber der Abschied fällt dennoch nicht schwer. Die Küste ist sehr dicht besiedelt und es ist mitunter schwierig, außerhalb von Städten und offiziellen Stränden, überhaupt ans Meer zu gelangen. Privatgrundstücke, große Hotels und Appartementanlagen versperren allzu oft den Zugang. (Immer wieder habe ich an das Konzept des Küstenwanderwegs in der Bretagne gedacht, wo man beinahe endlos wandern kann, das Meer immer vor Augen.) Zudem sind an den meisten Stränden Hunde offiziell nicht erlaubt. In der Nebensaison sehen das die Franzosen nicht so eng, habe ich gelesen und gehört. Aber mit einem großen und impulsiven Hund wie Bobby habe ich kein gutes Gefühl, wenn ich ihn direkt unter einem Hundeverbotsschild über den Strand laufen lasse.

Cassis ist wirklich schön und wir haben die Woche an dieser unfassbar blauen Küste in Südfrankreich sehr genossen. Aber so schön es auch ist, mal durch Boutiquen zu schlendern und einen Weißwein am Hafen zu trinken, (fast) immer würde ich (mittlerweile) das Picknick in der Natur unter dem Schatten eines Baumes dem kleinen Bistrotisch im belebten Café vorziehen. In diesem Sinne: À bientôt aus einer wilderen, naturnäheren (und hundefreundlicheren) Region Frankreichs, der Ardèche.

Bis bald von der Ardèche!

Roadtrip nach Südfrankreich mit Hund und Dachzelt – unsere Route, unsere Reise

Hier geht es zu meinen bisherigen Artikeln unserer Reise über die Alpen an die Côte d’Azur:

Juhu! Reisepläne! Mit Dachzelt nach Südfrankreich – unsere Route, unser Setup

Einmal das Matterhorn sehen – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 1

Zauberhafte Seealpen oder die Leichtigkeit des Reisens – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 2

Wow! Die Verdonschlucht. Roadtrip nach Südfrankreich Teil 3

Licht und Schatten – Bilder der Camargue und mein Blick auf 2021


8 Gedanken zu “Blau, blauer, Côte d’Azur – Roadtrip nach Südfrankreich Teil 4

  1. Schön geschrieben 🙂 Wir waren mit unserer Beagle-Hündin Frida an der Cote d´ Azur und hatten außer im vollen Nizza keine Schwierigkeiten. Danke für die Tipps 🙂 Beim nächsten Mal werden wir den einen oder anderen Ort auch besuchen. LG

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    1. Danke Dir 🙂 Echte Probleme hatten wir auch nicht. Es war halt nur anders als wir das z.B. in der Bretagne oder auch in der Normandie erlebt haben. Dort sind die Menschen viel selbstverständlicher mit Bobby umgegangen und haben sogar noch positiv und verständnisvoll reagiert, wenn er mal gebellt hat oder sich etwas „daneben“ benommen hat. Naja, und von dem mega hundefreundlichen England will ich gar nicht sprechen … Aber letztendlich ist es auch klar, dass es dort, wo so viele Menschen und Touristen zusammenkommen wie an der Côte d’Azur, mehr Regeln (und Verbote) für Mensch und Hund gibt, mit denen ja in Frankreich per se wohltuend pragmatisch umgegangen wird, wie ich finde. Ich wünsche euch viel Freude bei eurer nächsten Reise nach Frankreich. Wir werden bestimmt auch wieder hinfahren! Liebe Grüße, Andrea

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  2. Deine schönen Berichte bringen mich immer zum seufzen wegen der Erinnerungen. Teilweise waren wir auch mit dem Hund unterwegs. Ich weiß jetzt, warum die Französinnen immerr diese kleine Hundchen unter dem Arm tragen.

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  3. Hi, wir uns geht es in zwei Wochen mit unserem Hund auch nach Südfrankreich. Ich bin auf deinen Bericht gestoßen, weil ich „Calanques mit Hund“ gegoogelt habe. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob und wie gut es sich mit Hund dort wandern lässt. Jetzt bin ich ein klein wenig schlauer. Danke für die Berichterstattung:-)
    Eine Frage hätte ich aber noch: War es an den Stränden dort so voll weil ihr am Wochenende da wart?

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    1. Das freut mich, dass dir mein Artikel ein wenig weitergeholfen hat 🙂 Durch die Calanques sind wir tatsächlich an einem Sonntag gewandert und deswegen war es natürlich besonders voll. Unter der Woche war es in Cassis auf jeden Fall ruhiger und ich gehe davon aus, dass die kleinen Buchten und Naturstrände in der Calanque dann auch viel leerer sind. Ich wünsche euch eine super schöne Zeit in Südfrankreich und hoffe, dass es nicht zuuu heiß wird … Liebe Grüße von Andrea

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